Während in der Akademievorlesungsreihe Winter 2014/2015 zum Thema der Zeit („Gelebte Zeit und gezählte Zeit – Auf dem Weg in eine zeitachtsame Gesellschaft?“) die gegenwartsbezogenen und handlungstheoretischen Aspekte im Vordergrund standen, öffnen die Vorlesungen dieser Reihe den Blick auf den Begriff und das Verständnis der Zeit aus einer längerfristigen Perspektive – ohne die aktuellen Bezüge zu vernachlässigen.
Zum Auftakt der Vorlesungsreihe am 26. November gibt Johann Kreuzer, Professor für die Geschichte der Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Leiter der Adorno-Forschungsstelle und des Hannah Arendt Zentrum in Oldenburg, einen Überblick über das Zeitverständnis in der Philosophie und die entsprechend diskutierten Zeitbegriffe: „Und wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es.“ – Die Realität der Zeit. Die entscheidenden Positionen bzw. Optionen finden sich bei Aristoteles, Augustinus und Kant formuliert. Die hier formulierten Antwortoptionen auf die Frage, worüber wir als Zeit sprechen und worauf wir uns dabei beziehen, bestimmen die Diskussion der Sache nach bis heute.
Uwe Becker, Professor für Diakoniewissenschaft, Sozialethik und Verbändeforschung an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum, behandelt am 10. Dezember die geradezu monopolartige Rolle, die einst die Kirche über Jahrhunderte als gesellschaftliche Zeittakt-Geberin innehatte. Diese ist jedoch längst einer multivarianten zeitlichen Organisation des gesellschaftlichen Lebens gewichen: Hat die Kirche die Sonntagsruhe verschlafen? Anmerkungen zur brüchigen Theologie einer Zeitinstitution.
Der Zeit strukturierende Einfluss der Kirche ist aber nicht durchweg von einem von Bevormundung befreiten, selbstbestimmten Zeitarrangement abgelöst worden. Beschleunigungsdynamiken, Verdichtungseffekte der Arbeitswelt und Desynchronisation des sozialen Lebens zeigen ökonomische Imperative der Zeitstrukturierung an, denen individuell kaum zu entrinnen ist. Die Kirche könnte möglicherweise ihr Potential freilegen, eine der Zeit gestaltenden Organisationen zu sein, die in Verbindung mit anderen Akteuren dieser ökonomischen Verwendungslogik einen zivilgesellschaftlichen „Zeitungehorsam“ entgegenzusetzen hat. Dazu müsste sie aber auch ihre eigenen antijüdischen, theologischen Traditionen kritisch in den Blick nehmen.
„Die Eroberung der Stadtnacht – auf dem Weg zur 24/7-Stadt“ ist das Thema am 21. Januar von Dietrich Henckel, Inhaber des Lehrstuhls für Stadt- und Regionalökonomie am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin. „Die Stadt, die niemals schläft“ oder – in der neueren Version – „die 24/7-Stadt“ spielen in der Debatte um die Entwicklung der (großen) Städte und in ihrer (Selbst)Vermarktung eine große Rolle. Dabei handelt es sich um eine sehr eingeschränkte Perspektive, ein spezifischer Blick auf den Rhythmus der Stadt, der sich bei genauerer Betrachtung als relativ normal herausstellt.
Alle Veranstaltungen finden statt in den
Baseler Hof Sälen
Esplanade 15
20354 Hamburg
Rollstuhlgerechter Zugang über Esplanade 16
Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter www.awhamburg.de/veranstaltungen.
Termine, Themen, Referenten:
Donnerstag, 26. November 2015, 19:00 Uhr
„Und wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es.“ – Die Realität der Zeit
Prof. Dr. Johann Kreuzer, Oldenburg
Donnerstag, 10. Dezember 2015, 19:00 Uhr
Hat die Kirche die Sonntagsruhe verschlafen? Anmerkungen zur brüchigen Theologie einer Zeitinstitution
Prof. Dr. Uwe Becker, Bochum
Donnerstag, 21. Januar 2016, 19:00 Uhr
Die Eroberung der Stadtnacht – auf dem Weg zur 24/7-Stadt
Prof. Dr. Dietrich Henckel, Berlin
Presseanmeldung und weitere Informationen:
Catherine Andresen
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Die Akademie
Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus dem norddeutschen Raum an. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Die Grundausstattung der Akademie wird finanziert von der Freien und Hansestadt Hamburg. Präsident der Akademie ist Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Edwin J. Kreuzer. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.