PM 18/2015-Ankündigung Akademievorlesung Zeit

„Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding“ - Hamburger Akademievorlesungen im Winter 2015

 

Das Zitat der Marschallin aus Hugo von Hofmannsthals „Rosenkavalier“ bringt auf den Punkt, wie vielfältig und gleichzeitig faszinierend die Beschäftigung mit der Zeit ist.

Die Philosophie hat sich von der Antike bis in die Gegenwart mit der Frage beschäftigt, was Zeit ist und was wir damit meinen. In der Theologie spielt die Zeit durch die Unterscheidung in das irdische und das jenseitige Leben eine zentrale Rolle. Die Bibel hat einen Zeittakt vorgegeben – „am siebten Tag sollst du ruhen“ –, der über Jahrhunderte das Leben der Menschen strukturiert hat, heute jedoch „aus dem Takt“ geraten zu sein scheint.

In der Vortragsreihe der Akademie der Wissenschaften in Hamburg sollen „Konzepte zum Begriff und zum Verständnis der Zeit aus Philosophie, Theologie und Ökonomie“ erläutert werden. www.awhamburg.de

 

Während in der Akademie­vorlesungsreihe Winter 2014/2015 zum Thema der Zeit („Gelebte Zeit und gezählte Zeit – Auf dem Weg in eine zeitachtsame Gesellschaft?“) die gegenwartsbezogenen und handlungstheoretischen Aspekte im Vordergrund standen, öffnen die Vorlesungen dieser Reihe den Blick auf den Begriff und das Verständnis der Zeit aus einer längerfristigen Perspektive – ohne die aktuellen Bezüge zu vernachlässigen.

Zum Auftakt der Vorlesungsreihe am 26. November gibt Johann Kreuzer, Professor für die Geschichte der Philosophie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Leiter der Adorno-Forschungsstelle und des Hannah Arendt Zentrum in Oldenburg, einen Überblick über das Zeitverständnis in der Philosophie und die entsprechend diskutierten Zeitbegriffe: „Und wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es.“ –  Die Realität der Zeit. Die entscheidenden Positionen bzw. Optionen finden sich bei Aristoteles, Augustinus und Kant formuliert. Die hier formulierten Antwortoptionen auf die Frage, worüber wir als Zeit sprechen und worauf wir uns dabei beziehen, bestimmen die Diskussion der Sache nach bis heute.

Uwe Becker, Professor für Diakoniewissenschaft, Sozialethik und Verbändeforschung an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum, behandelt am 10. Dezember die geradezu monopolartige Rolle, die einst die Kirche über Jahrhunderte als gesellschaftliche Zeittakt-Geberin innehatte. Diese ist jedoch längst einer multivarianten zeitlichen Organisation des gesellschaftlichen Lebens gewichen: Hat die Kirche die Sonntagsruhe verschlafen? Anmerkungen zur brüchigen Theologie einer Zeitinstitution.

Der Zeit strukturierende Einfluss der Kirche ist aber nicht durchweg von einem von Bevormundung befreiten, selbstbestimmten Zeitarrangement abgelöst worden. Beschleunigungsdynamiken, Verdichtungseffekte der Arbeitswelt und Desynchronisation des sozialen Lebens zeigen ökonomische Imperative der Zeitstrukturierung an, denen individuell kaum zu entrinnen ist. Die Kirche könnte möglicherweise ihr Potential freilegen, eine der Zeit gestaltenden Organisationen zu sein, die in Verbindung mit anderen Akteuren dieser ökonomischen Verwendungslogik einen zivilgesellschaftlichen „Zeitungehorsam“ entgegenzusetzen hat. Dazu müsste sie aber auch ihre eigenen antijüdischen, theologischen Traditionen kritisch in den Blick nehmen.

„Die Eroberung der Stadtnacht – auf dem Weg zur 24/7-Stadt“ ist das Thema am 21. Januar von Dietrich Henckel, Inhaber des Lehrstuhls für Stadt- und Regionalökonomie am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin. „Die Stadt, die niemals schläft“ oder – in der neueren Version – „die 24/7-Stadt“ spielen in der Debatte um die Entwicklung der (großen) Städte und in ihrer (Selbst)Vermarktung eine große Rolle. Dabei handelt es sich um eine sehr eingeschränkte Perspektive, ein spezifischer Blick auf den Rhythmus der Stadt, der sich bei genauerer Betrachtung als relativ normal herausstellt.

 

Alle Veranstaltungen finden statt in den

Baseler Hof Sälen

Esplanade 15

20354 Hamburg

Rollstuhlgerechter Zugang über Esplanade 16

 

Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter www.awhamburg.de/veranstaltungen.

 

Termine, Themen, Referenten:

Donnerstag, 26. November 2015, 19:00 Uhr

„Und wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es.“ – Die Realität der Zeit

Prof. Dr. Johann Kreuzer, Oldenburg

 

Donnerstag, 10. Dezember 2015, 19:00 Uhr

Hat die Kirche die Sonntagsruhe verschlafen? Anmerkungen zur brüchigen Theologie einer Zeitinstitution

Prof. Dr. Uwe Becker, Bochum

 

Donnerstag, 21. Januar 2016, 19:00 Uhr

Die Eroberung der Stadtnacht – auf dem Weg zur 24/7-Stadt

Prof. Dr. Dietrich Henckel, Berlin

 

Presseanmeldung und weitere Informationen:

Catherine Andresen

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

Akademie der Wissenschaften in Hamburg

040/42 94 86 69–24

presse(at)awhamburg.de

www.awhamburg.de

 

Die Akademie

Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus dem norddeutschen Raum an. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Die Grundausstattung der Akademie wird finanziert von der Freien und Hansestadt Hamburg. Präsident der Akademie ist Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Edwin J. Kreuzer. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.