PM 10/2018 Wissen im Widerstreit – Hamburger Akademievorlesungen im Wintersemester 2018

Politische Entscheidungen, die das Leben des Einzelnen fundamental beeinflussen, sind abhängig von Expertenwissen, zum Beispiel in der Klima- und Energiepolitik oder beim Atomausstieg. Häufig liefert die Wissenschaft widersprüchliche Einschätzungen und Lösungsvorschläge zu einem Problem. Unter welchen Bedingungen produziert die Wissenschaft heute ihr Wissen? Wie wird ausgehandelt, welches Wissen am Ende als relevant eingestuft wird? Diese und weitere Fragen beantworten namhafte Experten in der Vortragsreihe der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ab dem 25. Oktober im Baseler Hof in Hamburg. www.awhamburg.de

Den Auftakt der Vorlesungsreihe am 25. Oktober gibt die Soziologin Sabine Maasen mit dem Vortrag „Innovation und Verantwortung: Forschung im Gerangel widerstreitender Anforderungen“. Sie ist seit 2013 Professorin für  Wissenschaftssoziologie an der Technischen Universität München, mit  Forschungsschwerpunkten im Bereich der sozialwissenschaftlichen Wissenschaftsforschung. Ihr Beitrag geht der Frage nach, ob wissenschaftliche Forschung in der Zukunft Fragen der Verantwortung stärker in den Mittelpunkt stellen und ihr Vorgehen vor der Gesellschaft rechtfertigen muss.

Am 21. November behandelt Konrad Ott, Professor für Philosophie und Ethik der Umwelt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, das Thema „Wissen und Entscheidung: Zur Endlagerung radioaktiver Reststoffe“.  Auch nach dem Ende der zivilen Nutzung der Kernenergie verbleibt das Problem, hochradioaktive Reststoffe für einen extrem langen Zeitraum sicher einzulagern. Es müssen Lagerstätten ausgewiesen werden, wobei Proteste der betroffenen Regionen wahrscheinlich sind. Von 2012-2017 untersuchte die Forschungsplattform ENTRIA mehrere Einlagerungsstrategien. Der Vortrag präsentiert am Beispiel der ENTRIA-Forschungen, wie Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen und einander widersprechende Interessen unter Einschluss der Bevölkerung bei der Entscheidungsfindung ausgehandelt werden.

Falko Schnicke, seit 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts am Deutschen Historischen Institut London und Honorary Fellow an der University of Southampton, behandelt am 13. Dezember das Thema „´It is dangerous to generalise about state visits´ – Praktiken des Wissens in der britischen Außenpolitik des 20. Jahrhunderts“. Anders als in Deutschland gab es im Vereinigten Königreich bis ins 20. Jahrhundert nur wenige allgemeine Richtlinien darüber, wie Staatsbesuche ablaufen und welche Funktionen dabei der eigentlich unpolitischen Monarchie in der Außenpolitik zukommen sollten. Der Vortrag zeichnet am Beispiel verschiedener Staatsbesuche nach, wie Kategorien wie „State Visit“  strategisch mit Bedeutung gefüllt und wie diese dann in pragmatische Formen der (zeremoniellen) Repräsentation umgesetzt wurden.

Am 17. Januar behandelt Hubert Knoblauch das Thema: “Von der Wissenschaftsforschung zur empirischen Wissenschaftstheorie“. Er ist seit 2002 Professor für Allgemeine Soziologie an der Technischen Universität Berlin. Wie jede gesellschaftliche Institution benötigt die Wissenschaft eine Legitimation nach außen, wie auch nach innen, die die Forschenden anleitet. Diese Legitimation wurde lange Zeit durch die Wissenschaftsphilosophie als „Wahrheit“ oder „Erkenntnis“ definiert. Die jüngere Wissenschaftsforschung hat zu einer Relativierung der Wahrheit geführt, lässt jedoch die Frage offen, wie Wissenschaft betrieben werden soll. In diesem Vortrag soll mit dem Konzept der empirischen Wissenschaftstheorie eine Antwort skizziert werden.

Den Abschluss der Akademie­vorlesungsreihe am 7. Februar gibt Albert Meier, Mitglied der Akademie und bis 2017 Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit seinem Vortrag „In Science we trust –  Überlegungen zum Wissen der Wissenschaften“. Der Vortrag wird am Beispiel der vorangegangenen Beiträge darstellen, wie unterschiedliche Interessengruppen und Disziplinen ihr je eigenes Wissen als (relevantes) Wissen legitimieren und definieren. Daraus ergibt sich ein Begriff von Wissen und Wissenschaft, bei dem die traditionelle Berufung auf Wahrheit als Rechtfertigung von Geltungsansprüchen problematisch geworden ist. Abschließend werden die Geisteswissenschaften als die Wissenschaftsdisziplinen charakterisiert, deren besondere Domäne und Leistung in der kritischen Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen Konzepten von „Wahrheit“ besteht.

Veranstaltungsort:
Baseler Hof Säle, Esplanade 15, 20354 Hamburg.
Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter www.awhamburg.de/veranstaltungen.

Termine, Themen, Referenten

Donnerstag, 25. Oktober 2018, 19:00 Uhr, Baseler Hof Säle
Innovation und Verantwortung: Forschung im Gerangel widerstreitender Anforderungen
Prof. Dr. Sabine Maasen, München

Donnerstag, 21. November 2018,19:00 Uhr, Baseler Hof Säle
Wissen und Entscheidung: Zur Endlagerung radioaktiver Reststoffe
Prof. Dr. Konrad Ott, Kiel

Donnerstag, 13. Dezember 2018, 19:00 Uhr, Baseler Hof Säle
„It is dangerous to generalise about state visits“ – Praktiken des Wissens in der britischen Außenpolitik des 20. Jahrhunderts
Dr. Falko Schnicke, London

Donnerstag, 17. Januar 2019, 19:00 Uhr, Baseler Hof Säle
Von der Wissenschaftsforschung zur empirischen Wissenschaftstheorie
Prof. Dr. Hubert Knoblauch, Berlin

Donnerstag, 7. Februar 2019, 19:00 Uhr, Baseler Hof Säle
In Science we trust – Überlegungen zum Wissen der Wissenschaften
Prof. Dr. Albert Meier, Kiel

Presseanmeldung und weitere Informationen:
Catherine Andresen
Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
Akademie der Wissenschaften in Hamburg
040/42 94 86 69–24
presse(at)awhamburg.de
www.awhamburg.de

Die Akademie
Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus dem norddeutschen Raum an. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Die Grundausstattung der Akademie wird finanziert von der Freien und Hansestadt Hamburg. Präsident der Akademie ist Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Edwin J. Kreuzer. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.