14/2019 Internationale Gerechtigkeit – ein sinnvolles normatives Postulat? Akademievorlesungen im Wintersemester 2019

Mit zunehmender Globalisierung rückt das Thema internationale Gerechtigkeit immer stärker in den Fokus. Seit vielen Jahren wird in der Philosophie, politischen Theorie und im Völkerrecht eine Debatte über Fragen der internationalen Gerechtigkeit geführt. Macht es Sinn globale Kontexte an Maßstäben der Gerechtigkeit zu messen? Wie sähe eine zeitgemäße Idee globaler Gerechtigkeit heute aus? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich namhafte Expertinnen und Experten in der Vortragsreihe „Internationale Gerechtigkeit – ein sinnvolles normatives Postulat?“ der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ab dem 24. Oktober 2019 im Baseler Hof in Hamburg. www.awhamburg.de

Den Auftakt der Vorlesungsreihe am 24. Oktober 2019 gibt Kerstin von der Decken mit dem Vortrag „Das Ende der Straflosigkeit: der Internationale Strafgerichtshof und das Streben nach internationaler Gerechtigkeit.“ Die Geschichte der Menschheit ist geprägt von immer wieder vorkommenden grausamsten Verbrechen. Die meisten von ihnen blieben ungesühnt. Dieses „Zeitalter der Straflosigkeit“ sollte mit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs definitiv beendet werden. Doch wie weit ist der Gerichtshof in seinem Streben nach internationaler Gerechtigkeit bis heute gekommen? Kerstin von der Decken ist Professorin für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie Direktorin des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel und Akademiemitglied.

Der zweite Vortrag von Markus Kotzur am 28. November 2019 beschäftigt sich mit dem Thema „On global justice: Gerechtigkeitsmaßstäbe der Völkerrechtsordnung“. Die Menschheitsfrage nach den Gerechtigkeitsmaßstäben des Rechts treibt auch das Völkerrecht um. Auf den ersten Blick mag das nicht naheliegend sein, da die internationalen Beziehungen von machtpolitischen Interessen getrieben scheinen. Und doch werden völkerrechtliche Gerechtigkeitsfragen aktuell intensiv diskutiert: Solidaritätspflichten im Migrationsvölkerrecht, die intergenerationellen Pflichten im Umweltvölkerrecht und die soziale Teilhabe im Entwicklungsvölkerrecht. Markus Kotzur ist Inhaber des Lehrstuhls für Europa- und Völkerrecht an der Universität Hamburg, Präsident des Europa-Kollegs Hamburg und Direktor des Instituts für Internationale Angelegenheiten.

Am 12. Dezember 2019 gibt Henning Hahn Einblicke in „Überlegungen zu einer zeitgemäßen Idee globaler Gerechtigkeit“. Kosmopolitische Autoren fordern demokratische Teilnahme an globaler Herrschaft und faire Teilhabe an den Früchten globaler Kooperation. Partikularistische Autoren betonen dagegen, dass sich die Frage sozialer Gerechtigkeit sinnvoll nur im Rahmen des Nationalstaats stellt. Aber nationale Gesellschaften kämpfen zunehmend mit Spaltungen und Souveränitätsverlusten, die ihrerseits eine globale Gerechtigkeitsordnung erfordern. Es bleibt die Frage: Wie sähe eine zeitgemäße Idee globaler Gerechtigkeit heute aus? Henning Hahn ist Gastprofessor für Praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er forscht zu normativen, angewandten und politischen Herausforderungen der Globalisierung, im Besonderen zu globaler Gerechtigkeit, Menschenrechten, globaler/transkultureller Ethik und politischer Versöhnung.

Im vierten Vortrag beschäftigt sich Rainer Forst am 16. Januar 2020 mit dem Thema „Eine kritische Theorie transnationaler (Un-)Gerechtigkeit“. In den Diskussionen über Gerechtigkeit jenseits staatlicher Grenzen geht es nicht nur um die Reichweite oder den Inhalt von entsprechenden Grundsätzen, sondern auch darum, wie der Begriff der Gerechtigkeit überhaupt verstanden werden sollte. Im Vortrag wird eine Theorie der Gerechtigkeit skizziert, die auf einer konstruktivistischen Vernunftauffassung beruht, zugleich aber „realistisch“ ist, wenn es darum geht, die gegenwärtige Weltordnung zu untersuchen. Rainer Forst ist Professor für Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. 2012 verlieh ihm die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis.

Im abschließenden Vortrag am 6. Februar 2020 setzt sich Stefan Oeter mit dem Thema „Herausforderungen der Welthandelsordnung und die Frage der internationalen Gerechtigkeit“ auseinander. Kern des internationalen Wirtschaftsrechts bildet die Welthandelsordnung (WTO), die mit den Regelungen des WTO-Rechts ihre heutige Gestalt gefunden hat. Von Anfang an wurde die WTO von kritischen Debatten über internationale (Verteilungs-)Gerechtigkeit begleitet. Die aktuellen Anfechtungen des multilateralen Systems handelsrechtlicher Bindungen der Staaten geben Anlass, unter dem Blickwinkel internationaler Gerechtigkeit über den Sinn der Welthandelsordnung nachzudenken. Stefan Oeter ist Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie Direktor des Instituts für Internationale Angelegenheiten an der Universität Hamburg und Akademiemitglied.

Termine, Themen, Referenten
Donnerstag, 24. Oktober 2019, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Kerstin von der Decken, Kiel
„Das Ende der Straflosigkeit: der Internationale Strafgerichtshof und das Streben nach internationaler Gerechtigkeit“

Donnerstag, 28. November 2019, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Markus Kotzur, Hamburg
„On global justice: Gerechtigkeitsmaßstäbe der Völkerrechtsordnung“

Donnerstag, 12. Dezember 2019, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Henning Hahn, Kassel
„Überlegungen zu einer zeitgemäßen Idee globaler Gerechtigkeit“

Donnerstag, 16. Januar 2020, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Rainer Forst, Frankfurt
„Eine kritische Theorie transnationaler (Un-)Gerechtigkeit“

Donnerstag, 6. Februar 2020, 19:00 Uhr
Prof. Dr. Stefan Oeter, Hamburg
„Herausforderungen der Welthandelsordnung und die Frage der internationalen Gerechtigkeit“

Veranstaltungsort
Baseler Hof Säle, Esplanade 15, 20354 Hamburg.
Der Eintritt ist frei.
Um Anmeldung wird gebeten unter presse(at)awhamburg.de

Presseanmeldung und Anfragen
Catherine Andresen
Akademie der Wissenschaften in Hamburg
040/42 94 86 69–24

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Die Akademie

Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus Norddeutschland an. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Die Grundausstattung der Akademie wird finanziert von der Freien und Hansestadt Hamburg. Präsident der Akademie ist Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Edwin J. Kreuzer. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.