14 Jul 11

Sprache – Recht – Gesellschaft

Sprache ist als soziales Phänomen für Gesellschaft und Recht konstitutiv. Sprache ist nicht nur das Mittel, Recht auszudrücken, sondern als Ausdruck von Werten und Normen bereits implizit normativ, während umgekehrt das Recht durch seine Sprachlichkeit auch materiell geformt wird. Dieses ambivalente Verhältnis von Sprache und Recht bildet den Hintergrund intersubjektiver Verständigung und wirkt daher konstitutiv für jede politische Ordnung. Die hermeneutischen Strukturen des Verstehens bilden das Scharnier sowohl zwischen den Subjekten als auch zwischen diesen und ihrer Lebenswirklichkeit. Ohne Interpretation von Sprache und Handlung kann weder Kommunikation noch Verstehen im Sinne von Erkenntnis stattfinden. Der intersubjektiven sprachlichen Verständigung kommt in jeder politischen Gemeinschaft eine besondere Rolle zu. Intersubjektive sprachliche Kommunikation und die Regeln der Rechtsprechung und Rechtsanwendung bestimmen die Normativitäts- und Legitimitätskonzepte einer Gesellschaft.

  Donnerstag, 14. Juli 2011, 9 - 18 Uhr

Panel 1: Zur Hermeneutik von Recht als gesellschaftlicher Institution

Der dem Recht implizite normative Geltungsanspruch gewinnt erst in seinem sozialen Kontext und durch die Anerkennung der Beteiligten an Tragkraft. Das Recht trägt Leit- und Ordnungsideen in sich, die im Diskurs sinnstiftend und handlungsanleitend wirken sollen, um so zu einer normativen und sprachlich verfassten Institution politischer Gemeinschaft werden zu können. Die konkrete Sprachlichkeit des Rechts begründet dabei aber nicht zwangsläufig eine angemessene Verstehbarkeit ihrer Sinngehalte, denn dies kann nur durch die verständigungsorientierte Arbeit der Teilnehmer in der jeweiligen sozialen Praxis geleistet werden.  Auf die Frage nach der Begründung des für moderne politische Ordnungen konstitutiven Sinnanspruchs des Rechts bieten nun die unterschiedlichen traditionell hermeneutischen, interpretationsphilosophischen und dekonstruktiven Ansätze eine Vielzahl an Analysemöglichkeiten. Dabei können angesichts der fundamentalen Wirkkraft des Rechts in modernen politischen Strukturen diese unterschiedlichen Zugänge und Methoden sowie ihr Verhältnis zueinander nur mit dem Fokus interdisziplinärer Untersuchungen scharf gestellt werden. Denn an die grundsätzliche Frage nach der Verstehbarkeit von Sinngehalten schließt sich diejenige nach der Auswirkung von „verstandenen“ Sinngehalten an. Recht als gesellschaftliche Institution wirkt durch die Anerkennung derselben auf die Handlungs- und Lebensweisen der Individuen und damit auch auf die Strukturen politischer Gemeinschaft. Fraglich bleibt der Zusammenhang des Anerkennungsprozesses von normativen Sinnansprüchen und der Frage, warum sich die Individuen diese aneignen und sich ihren Logiken unterwerfen sollten?

Leitfragen:

Wie kann die Normativität von Sprache bestimmt werden?
Wie kann das „Verstehen“ von Werten und Normen in der sozialen Praxis begründet werden?
Wie kann und warum sollte Recht sinnstiftend und handlungsanleitend wirken?

Es sprechen:

Prof. Dr. Sergio Dellavalle, Philosophie (Turin)
Christian Thein, Philosophie (Münster)
Dr. Julia Hänni, Rechtswissenschaft (Fribourg)
Dr. Bernhard Herrlich, Rechtswissenschaft (Basel)
Prof. Dr. Roland Lhotta, Politikwissenschaft (Hamburg)
Jens Olesen, Politikwissenschaft (Oxford)


  Freitag, 15. Juli 2011, 9 - 18 Uhr

Panel 2: Sprache und juristische Argumentation

Relevanz und Funktion sprachlicher Bedeutung für die Auslegung von Rechtstexten, für die juristische Argumentation und damit auch für die gesellschaftliche Wirkung von Recht sind seit langem umstritten. Während die traditionelle Methodenlehre an der semantischen Interpretation als wichtigem Auslegungskanon festhielt, relativierten postmoderne Kritiker dessen Relevanz. Sprachanalytisch inspirierte Forschungen der neueren juristischen Argumentationstheorie haben sich gegen diese dekonstruktivistische Herausforderung gewendet. In letzter Zeit hat dieses Thema durch die Debatte über die Renaissance normativer Sprachphilosophien und die Rezeption der Arbeiten Robert Brandoms in der deutschen Rechtstheorie neue Nahrung erhalten.

Leitfragen:

Können klare und unklare Fälle der semantischen Interpretation unterschieden werden?
Ist die Bedeutung von Normen feststellbar, oder liegt immer eine Festsetzung vor?
Ist die Bedeutung von Normen innerhalb des Sprachspiels der juristischen Interpreten objektivierbar, d.h. intersubjektiv gültig?

Es sprechen:

Dr. Christian Barth, Philosophie (Berlin)
Dr. Erasmus Mayr, Philosophie (München)
PD Dr. Tobias Herbst, Rechtswissenschaft (Augsburg)
Prof. Dr. Dr. h. c. Ulfrid Neumann, Rechtswissenschaft (Frankfurt a.M.)
Prof. Dr. Ekkehard Felder, Germanistik (Heidelberg)
Dr. des. Matthias Kiesselbach, Philosophie (Berlin)


  Samstag, 16. Juli 2011, 9 - 18 Uhr

Panel 3: Recht, Sprache und Kultur

Sprache und Recht können als Ausdruck von Kultur verstanden werden. Aus Sicht wenigstens einer relativistischen Diskurstheorie spiegeln Sprache und Recht diejenigen überlieferten Normen und Werte, vielleicht auch Empfindungen, wider, die sich in dem zugehörigen Kulturkreis entwickelt haben. Demzufolge ist die Sprach- und Rechtsentwicklung ebenso wie das Sprach- und Rechtsverständnis kulturabhängig. Umgekehrt ist aber auch die Kulturentwicklung ohne Sprache und Recht nicht denkbar.

In Zeiten der Europäisierung und der Globalisierung rücken diese Zusammenhänge unweigerlich in den Fokus der Geistes- und der Sozialwissenschaften. Zu klären ist etwa, inwiefern eine europäische oder sogar globale Rechtsgemeinschaft in einer heterogenen Sprachen- und Kulturgemeinschaft überhaupt möglich ist. Kann gemeinsames Recht zu einer Universalisierung der Kultur beitragen, oder setzt die Universalisierung des Rechts, insbesondere fundamentalen Rechts wie der Menschenrechte, vielmehr eine Universalisierung der Kultur voraus? Welchen Einfluss hätte eine Universalisierung der Sprache auf diese Vorgänge? Oder ist Kultur, Sprache und Recht nationenbildend und damit aus globaler Perspektive notwendig fragmentarisch, so dass jede Globalisierung dieser Systeme erst einen Weltstaat, eine globale Nation voraussetzt?

Leitfragen:

Welche Verhältnisse bestehen zwischen Sprache, Recht und Kultur?
Welche Hemmnisse hält die kulturelle Vielfalt für eine Vereinheitlichung von Recht und Sprache bereit?
Welche Auswirkungen haben diese Verhältnisse und Hemmnisse für die Prozesse europäischer und globaler Konstitutionalisierung?

Es sprechen:

Dr. Hilmar Schmiedl-Neuburg, Philosphie (Kiel)
Prof. Dr. Martin Morlok, Rechtswissenschaft (Düsseldorf)
Dr. Jörn Reinhardt, Rechtswissenschaft (Hamburg)
Prof. Dr. Petra Braselmann, Romanistik (Innsbruck)
Prof. Dr. Monika Rathert, Linguistik (Wuppertal)
Dr. Doris Liebwald, Rechtsinformatik (Wien)

Leitung:

Dr. iur. Carsten Bäcker, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Jun.-Prof. Dr. iur. Matthias Klatt, Universität Hamburg und Dipl.-Pol. Dipl.-Jur. Sabrina Zucca-Soest, Helmut Schmidt Universität Hamburg

Die Anmeldegebühr beträgt 30,00 Euro (für Studenten ermäßigt 15,00 Euro) Kaffeepausen inklusive.

Programmflyer als Download

Gästehaus der Universität Hamburg | Rothenbaumchaussee 34 | 20148 Hamburg | jeweils 9.00 - 18.00 Uhr

Donnerstag, 14. Juli 2011 um 00:00