PM13/2016 Reformation im Diskurs – Hamburger Akademievorlesungen im Wintersemester 2016

 

Martin Luthers Reformation hat die Welt verändert, nicht nur Theologie und Kirche. In einem vielfältigen Prozess haben Luthers Ideen und ihre Wirkungen Kirche und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft transformiert und Wege in die Neuzeit gebahnt. Wer war dieser Mann? Was macht ihn groß? Was war das Zentrum seines Wirkens?

Die Vortragsreihe der Akademie der Wissenschaften in Hamburg geht anlässlich des bevorstehenden Reformationsjubiläums diesen und anderen Fragen nach, die für das gegenwärtige Leben elementar sind und auf die immer wieder neu zeitgemäße Antworten gefunden werden müssen. www.awhamburg.de

 

Zum Auftakt der Vorlesungsreihe am 27. Oktober gibt Volker Leppin, Professor für Kirchengeschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen, eine Einführung in das Thema. Martin Luther scheint bekannt und wird vor 2017 noch immer bekannter. Sein Bild, vielfach durch das Logo der Jubiläumsvorbereitung verbreitet, dürfte zu den bekanntesten Portraits historischer Persönlichkeiten gehören. Für den Biographen stellt genau dies eine Schwierigkeit dar: Will er den historischen Gegebenheiten gerecht werden, so muss er gewissermaßen unter der Wirkungsgeschichte hindurchtauchen und sein Bild aus den zeitgenössischen Quellen rekonstruieren. Auch sie sind für Luther zahlreich, aber nicht einfach auszuwerten, denn die Stilisierung und Selbststilisierung setzte schon zu Lebzeiten Luthers ein. Der Vortrag führt, rechtzeitig vor dem großen Jubiläum, in diese Problemlage ein.

Notger Slenczka, Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin,  behandelt am 17. November in seinem Vortrag „Die Neuformulierung des christlichen Glaubens in der Reformation“, den Umbruch und die Folgen aufgrund der Reformation in allen Bereichen der damaligen Gesellschaft. Im Zentrum steht nicht einfach eine Neuformulierung der 'Rechtfertigungslehre', sondern eine 'Revolution' des Verständnisses des Christentums, dass nach Einsicht der Reformatoren im Zentrum der christlichen Religion und damit der Theologie, der Mensch steht.

„Die Unterscheidung von Geistlichem und Weltlichem in der Reformation – ein Segen für die Nachwelt“, ist am 15. Dezember das Thema von Peter Unruh, Rechtswissenchaftler und Präsident des Landeskirchenamtes der Nordkirche. Vor dem Hintergrund der spätantiken „Civitas-Lehre“ des Augustinus und der mittelalterlichen Theorie von den zwei Schwertern hat die Reformation den Keim für ein neues Verständnis des Verhältnisses von Staat und Kirche gesetzt. Der Vortrag liefert einen Überblick über die einschlägigen Ansichten der maßgeblichen Reformatoren und zieht eine Verbindungslinie zum aktuellen Religionsverfassungsrecht unter dem Grundgesetz.

Volker Gerhardt, Seniorprofessor für Praktische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Dietrich Korsch, emeritierter Professor für Systematische Theologie und Geschichte der Theologie an der Philipps-Universität Marburg und ehemaliger Direktor des Hans-von-Soden-Instituts für theologische Forschung, behandeln am 19. Januar 2017 das Thema „Glaubensgewissheit und Weltvertrauen“. Mit „Welt“ wird in der Regel die Gesamtheit alles dessen bezeichnet, was war, was ist und was der Fall sein wird. Zur Welt gehört insbesondere auch der Mensch, der sie zu erkennen sucht. Zur Bemühung um Erkenntnis aber gehört das Vertrauen auf Zusammenhänge, die der Mensch zu verstehen glaubt, sodass er sie seinem Handeln zugrunde legen kann. Spätestens in diesem mit der Erkenntnis beanspruchten „Grund“ sind das Erkennen und das Wissen auf Bedingungen bezogen, die man sowohl dem Handeln als auch dem dabei verwendeten Wissen unterstellen muss. Das aber heißt, man muss auch der Welt, zu der der Mensch mit seinem Handeln gehört, einen Grund zusprechen. Anders ließe sich weder auf das Wissen noch auf die Wissenschaft vertrauen. Davon geht auch der Glaube aus, den man als ein auf die Welt als Ganzes bezogenes Vertrauen ansehen kann. So haben es die Reformatoren verstanden. Also haben wir allen Grund, im Jubiläumsjahr der Reformation an den ursprünglichen Zusammenhang von Wissen, Gewissheit und Weltvertrauen zu erinnern. Dabei zeigt sich, wie sehr der Glauben an einen Gott von der Überzeugung getragen ist, dass dem Menschen in der Welt eine besondere Bedeutung zukommt. Die aber hat er nicht schon deshalb, weil er sich für etwas Besseres hält, sondern weil er bereits mit dem Wissen Verantwortung für sein Dasein in der Welt übernimmt. Es ist dies eine Verantwortung, die er schlechterdings nicht allein zu tragen vermag.  

Alle Veranstaltungen finden statt in den

Baseler Hof Sälen
Esplanade 15
20354 Hamburg
Rollstuhlgerechter Zugang über Esplanade 16 

Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird gebeten unter http://www.awhamburg.de/veranstaltungen/termine.html

Diese Veranstaltung wird gefördert durch die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.


Termine, Themen, Referenten

Donnerstag, 27. Oktober 2016, 19:00 Uhr
Martin Luther oder: Wie schreibt man die Biographie eines Großen der Weltgeschichte?
Prof. Dr. Volker Leppin, Tübingen 

Donnerstag, 17. November 2016, 19:00 Uhr
Die Neuformulierung des christlichen Glaubens in der Reformation
Prof. Dr. Notger Slenczka, Berlin 

Donnerstag, 15. Dezember 2016, 19:00 Uhr
Die Unterscheidung von Geistlichem und Weltlichem in der Reformation – ein Segen für die Nachwelt
Prof. Dr. Peter Unruh, Kiel 

Donnerstag, 19. Januar 2017, 19:00 Uhr
Glaubensgewissheit und Weltvertrauen
Prof. Dr. Volker Gerhardt, Berlin und Prof. Dr. Dietrich Korsch, Marburg

 

Presseanmeldung und weitere Informationen:

Catherine Andresen
Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
Akademie der Wissenschaften in Hamburg
040/42 94 86 69–24
presse(at)awhamburg.de
www.awhamburg.de

 

Die Akademie

Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus dem norddeutschen Raum an. Sie trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, Impulse für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu setzen. Die Grundausstattung der Akademie wird finanziert von der Freien und Hansestadt Hamburg. Präsident der Akademie ist Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h. Edwin J. Kreuzer. Die Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist Mitglied in der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.