Science Comics

Die Vermittlung wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse an eine breitere Öffentlichkeit geht seit einigen Jahren auch neue Wege. Dazu gehören mittlerweile auch Medienformate, welche sich zuvor selten mit wissenschaftlichen Disziplinen beschäftigt hatten. Sogenannte Science Comics vermittelten akademisches Wissen zunächst nur an Kinder und Jugendliche. Heute sind sie jedoch auch für ein erwachsenes Publikum etabliert - nicht zuletzt durch anspruchsvolle Recherche und Gestaltung der Bild-Text-Erzählungen.

Eine Initiative zur Wissenschaftskommunikation der Young Academy Fellows

Die Young Academy Fellows des Jahrgangs 2020 der Akademie der Wissenschaften in Hamburg sahen in dem Format Science Comic eine hervorragende Möglichkeit, sich und ihre Forschungsthemen der Öffentlichkeit vorzustellen und initiierten 2021 das Projekt. Die Folgejahrgänge setzten die Serie 2022 und 2023 fort. Gemeinsam mit Expert:innen und Künstler:innen präsentierten und reflektierten die Fellows ihre Wissenschaftscomics auf dem Hamburger Comicfestival 2022 und 2023. Im September 2024 erscheint im Jaja-Verlag eine eigene Comic-Anthologie mit dem Titel "Was wissen wir schon".

 

Brennen für die Pflege

Dr. Larissa Zwar (Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)

➟ Download von „Brennen für die Pflege“

• Reflexion von Larissa Zwar

Der Comic illustriert meinen Forschungsschwerpunkt auf den psychosozialen Folgen und Wirkmechanismen der informellen Pflege. Die (meist negativen) Folgen der Tätigkeit für Pflegende werden beeinflusst vom Pflegekontext (zum Beispiel Pflegesystem) und den Eigenschaften der Gepflegten und Pflegenden (zum Beispiel Geschlecht, Alter, Arbeitstätigkeit). Der Comic zeigt eine exemplarische Pflegesituation, die einige dieser Aspekte aufgreift und durch die farbliche Ausbleichung den Ressourcenverbrauch der pflegenden Person illustriert. Die orangenen Blasen und Markierungen verweisen auf Möglichkeiten, wie Forschung und Praxis zum Aufbau von Ressourcen und zur Verringerung von Belastung beitragen können. Der Titel greift die Dualität von Pflegetätigkeit auf: Einerseits die Hingabe und Leidenschaft für Pflege (positives „Brennen für“), andererseits den eigenen Ressourcenverbrauch der Pflegenden (negatives „Verbrennen durch“).

Künstlerin: Marlin Beringer (www.leaf-imp.de)
Datum: 05.09.2023

Das Spiel des Lebens

Dr. Colin von Negenborn (Philosophie und Volkswirtschaftslehre, Universität Hamburg)

➟ Download von „Das Spiel des Lebens“

• Reflexion von Colin von Negenborn

Der Comic illustriert zunächst zwei bisher getrennte wissenschaftliche Disziplinen: Die Spieltheorie beschreibt primär die zwischenmenschliche Interaktion rationaler Akteure. Die Umweltethik befasst sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Diese beiden Anwendungsgebiete werden in der Bildsprache der ersten Panels – erst technisch-urban, dann organisch – aufgegriffen. Anschließend werden beide Disziplinen zusammengeführt: Statt den Fokus nur auf den Menschen zu legen, sollen auch Tiere als Spieler:innen im Sinne der Spieltheorie berücksichtigt werden. Das Überreichen der Spielwürfel und das Bespielen eines gemeinsamen Spielbretts stellt diese Synthese dar, während die Ecken des Spielfelds den Perspektivwechsel auf einen umfassenderen Blick auf unseren Umgang mit Natur zum Ausdruck bringen.

Künstlerin: Melanie Gandyra (https://melaniegandyra.com)
Datum: 07.09.2023

Automatisches Schlussfolgern

Prof. Dr. Alexander Steen (Künstliche Intelligenz und Logik, Universität Greifswald)

➟ Download von „Automatisches Schlussfolgern“

• Reflexion von Alexander Steen

Der Comic stellt das Feld der „symbolischen KI“ als ein zentrales Teilgebiet der aktuellen KI-Forschung vor. Das grundlegende Prinzip von symbolischen KI-Methoden wird im Verlauf des Comics den aktuell überwiegend bekannten Machine-Learning-Methoden (aus dem Bereich der „subsymbolischen KI“) gegenübergestellt: Während mit ML-Methoden induktive Schlüsse (vom Speziellen auf Allgemeines) umgesetzt werden, können mit symbolischen KI-Methoden deduktive Schlüsse (vom Allgemeinen auf Spezielles) automatisiert werden. Der Comic soll in Zeiten zunehmender Automatisierung die Relevanz von Rationalität in KI-Systemen unterstreichen und die Anwendbarkeit symbolischer KI-Methoden auf Gebiete außerhalb der Mathematik und Informatik skizzieren. Hierzu wird auf Leibniz’ revolutionäre Idee verwiesen, rationale Argumentationen und logische Schlüsse eindeutig und auf eine systematisch-mathematische Art und Weise prüfen zu lassen: „Calculemus!“, auf Deutsch etwa: „Rechnen wir!“

Künstler: Matteo Farinella (https://matteofarinella.com)
Datum: 05.09.2023

Europas „Mann auf dem Mond“-Moment?

Dr. Vincent Gengnagel (Soziologie, Europa-Universität Flensburg)

➟ Download von „Europas 'Mann auf dem Mond'-Moment?“

• Reflexion von Vincent Gengnagel

Der „European Green Deal“ verspricht klimaneutrales Wirtschaftswachstum. Wie wird das öffentlich begründet und infrage gestellt, welche Legitimitätsquellen dafür bemüht? Und wie lassen sich diese Fragen in einem Comic aufwerfen? Im Gegensatz zu meinen sonst weniger bildhaften wissenschaftssoziologischen Arbeiten zur marktintegrativen EU-Agenda hat sich ein Artikel zur Verwendung der Mondlandungsmetapher durch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geradezu als Comic-Vorlage aufgedrängt: Im Austausch mit Moritz Stetter entstand eine Gegenüberstellung des „European Green Deals“ und des amerikanischen Apollo-Projekts, das Fragen zum Wachstumsversprechen liberaler Gouvernementalität angesichts sozialer und ökologischer Krisen aufruft – deutungsoffen, ohne Rahmentexte, akademische Konzepte und Fußnoten. Für wen war die Mondlandung der Triumph des American Dream? Und: Wer hält den „European Green Deal“ für eine erfolgsversprechende Antwort auf die Klimakrise?

Künstler: Moritz Stetter (https://www.moritz-stetter.de)
Datum: 11.09.2023

Die kleine Brotdiebin vor Gericht

Dr. Katharina Isabel Schmidt (Rechtswissenschaftsgeschichte, MPI für ausländisches und internationales Privatrecht)

➟ Download von „Die kleine Brotdiebin vor Gericht“

• Reflexion von Katharina Isabel Schmidt

Unser Comic stellt den für die moderne Rechtsphilosophie zentralen Konflikt zwischen geschriebenem Recht und gelebter Gerechtigkeit dar. Louise Ménard, die es wirklich gab, nahm sich in einem französischen Dorf am Ende des vorletzten Jahrhunderts einen Laib Brot – ohne diesen zu bezahlen. Laut Strafgesetzbuch machte sie sich des Diebstahls schuldig. Der „gute Richter“ Paul Magnaud, wie dieser zu der Zeit genannt wurde, sah das anders. Um der Tatsache gerecht zu werden, dass Louise aus größter Not heraus gehandelt hatte, sprach er sie frei. Wer Hunger habe, den treffe keine Schuld. Der Buchstabe des Gesetzes müsse hier hinter dem Geiste der Gerechtigkeit zurücktreten. Der Fall der „kleinen Brotdiebin“ vor dem „guten Richter“ gibt uns auch heute noch zu denken. Im Rahmen von Flucht-, Asyl- und Migrationsbewegungen stellt sich immer wieder die Frage: Sind Paragraphen wichtiger als Menschen? Ebenso führt die ungleiche Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen heute wie damals dazu, dass Mitglieder benachteiligter Gruppen zu „Tätern“ werden. Sowohl die sich zuspitzende Klimakrise als auch sich immer neu entfachende Konflikte auf der Welt führen uns die Unzulänglichkeit völkerrechtlicher Regelwerke vor Augen.

Künstlerin: Hannah Brinkmann (http://www.hannahbrinkmann.com)
Datum: 11.09.2023

Feminist Principles of the Internet

Dr. Dennis Redeker (Politikwissenschaft, Universität Bremen)

➟ Download von „Feminist Principles of the Internet“

• Reflexion von Dennis Redeker

Das Internet hat sich in den letzten drei Jahrzehnten stark verändert: Die Cyberutopien der 1990-er tragen nicht mehr.  Die Macht von Großunternehmen und Staaten über das, was online gelesen, geschrieben und gehört wird, verfestigt sich. Aktivist:innen – vor allem aus dem globalen Süden – setzen mit den „Feminist Principles of the Internet“ einen Gegenstandpunkt. Der Comic erzählt von der Entstehung und der Wirkung dieses Dokuments und basiert auf der Doktorarbeit von Dr. Dennis Redeker. Für eine Fallstudie befragte er unter anderen zwölf Aktivistinnen, die an den Principles mitwirkten. Die Sprechblasen repräsentieren zumeist Zitate aus den Interviews. John Perry Barlow, der Cowboy aus den ersten Panels, ist als Cyberlibertärer bekannt, der mit seiner zitierten „Declaration of the Independence of Cyberspace“ von 1996 – aus einer ganz anderen Perspektive – seine Ablehnung gegenüber dem Einfluss von Konzernen und staatlicher Autorität manifestierte.

Künstlerin: Hannah Brinkmann (https://www.hannahbrinkmann.com)
Datum: 11.09.2023

Menschen wandeln Wirtschaftsgeographie

Paula Prenzel (Wirtschaftsgeographie, Universität Greifswald)

➟ Download von „Menschen wandeln Wirtschaftsgeographie“

• Reflexion von Paula Prenzel

Der Ausgangspunkt des Comics „Menschen wandeln Wirtschaftsgeographie“ ist die zentrale Bedeutung von demographischen Veränderungen in wirtschaftlichen Prozessen, die manchmal übersehen wird. Dabei ist demographischer Wandel kein abstraktes Zukunftsproblem, sondern beschreibt aktuelle und greifbare Veränderungen, die auch positiv sein können. Räumliche Perspektiven bieten sich besonders an, die Auswirkungen von Veränderungen in der Bevölkerung zu untersuchen, weil Orte nicht nur unterschiedliche demographische Prozesse erfahren, sondern auch unterschiedlich mit Veränderungen umgehen. Der Comic zeigt, dass es hierbei nicht nur um eine alternde Bevölkerung geht, sondern zum Beispiel auch Diversität, Wachstum und Schrumpfung wichtig sein können. So kann ein Fokus auf die Bevölkerung im Rahmen von Wirtschaftsgeographie dazu beitragen, die Herausforderungen und Chancen demographischer Veränderungen besser zu verstehen und auf diese zu reagieren.

Künstler: Moritz Stetter (https://www.moritz-stetter.de) – Datum: 23.01.2023

Was haben unsere Lebensmittel mit antiken Manuskripten gemeinsam?

Marina Creydt (Lebensmittelchemie, Universität Hamburg)

➟ Download von „Was haben unsere Lebensmittel mit antiken Manuskripten gemeinsam?“

• Reflexion von Marina Creydt

Aufgrund der zunehmend globaleren Warenströme ist es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, die Authentizität von Lebensmitteln zu gewährleisten. In der Folge könnten sowohl Verbraucher als auch redliche Lebensmittelunternehmer getäuscht und betrogen werden.
Massenspektrometrische Analysen (d.h. die Bestimmung von Molekülgewichten) zählen zu den Standardmethoden für die Untersuchung von Lebensmitteln. In den letzten Jahren haben sich vor allem sogenannte „non-targeted Omics-Analysen“ durchgesetzt. Anders als bei „klassischen“ Lebensmittelanalysen ist das Ziel dieser Strategien nicht nur die Erfassung einiger weniger Analyten (Prüfsubstanzen), sondern die Detektion ganzer zellulärer Ebenen, um „chemische Fingerabdrücke“ von den Lebensmitteln zu erstellen. Mittels derartiger Ansätze lassen sich auch diffizile Fragestellungen, wie beispielsweise die Bestimmung der geografischen Herkunft von Lebensmitteln bearbeiten. Darüber hinaus können die Methoden für die Analyse von historischen Schriftartefakten eingesetzt werden, um beispielsweise Informationen über den Herstellungsprozess, die Autoren oder Leser zu gewinnen sowie geeignete Maßnahmen zur Konservierung vornehmen zu können.

Künstlerin: Kirsten Gattermann (https://www.kirstengattermann.de) – Datum: 12.03.2022

Polluters Should Pay: Kausalität und Verantwortung bei Umweltschäden

Alexander Stark (Umweltrecht und Rechtsphilosophie, Universität Hamburg)

➟ Download von „Polluters Should Pay: Kausalität und Verantwortung bei Umweltschäden“

• Reflexion von Alexander Stark

Akteure sind für Umweltschäden im Grundsatz nur dann verantwortlich, wenn genau diese Schäden durch deren kausale Verursachungsbeiträge herbeigeführt worden sind. Der Comic illustriert am Beispiel des Klimawandels und dessen Folgen, dass das Verursacherprinzip (polluter pays principle) ein zweischneidiges Zurechnungskriterium darstellt. Im Grundsatz sprechen gute Gründe dafür, diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die kausal zum Klimawandel beigetragen haben. Bei komplexen Schadensverläufen und insbesondere bei klimawandelbedingten Schäden bestehen hingegen Besonderheiten, die nicht selten zur Folge haben, dass die Umwelt- und Klimafolgekosten nicht zugerechnet werden. Eine Zurechnung auf der Grundlage des Verursacherprinzips bleibt oftmals aus, wenn wir es mit Langzeitfolgen, komplexen Verursachungsketten, historischen Emissionen und Ungewissheit über Kausalverläufe zu tun haben. Zudem stellt sich die Frage, ob neben den Verursachern auch diejenigen Verantwortung tragen, die von den Schadensursachen profitieren (Nutznießerprinzip). Der Comic thematisiert diese Aspekte und veranschaulicht, dass Komplexität und Verursachungsketten einer Zurechnung nicht entgegenstehen müssen.

Künstlerin: Hannah Brinkmann (http://www.hannahbrinkmann.com) – Datum: 01.04.2023

GleichbeRECHTigt?

Dana-Sophia Valentiner (Rechtswissenschaften, Universität Rostock )

➟ Download von „GleichbeRECHTigt?“

• Reflexion von Dana-Sophia Valentiner

Der Comic „GleichbeRECHTigt?“ befasst sich mit dem verfassungsrechtlichen Versprechen der Gleichberechtigung der Geschlechter in Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz und spiegelt damit eines der zentralen Forschungsthemen von Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner wider. Der Comic folgt Thomas und Ebru auf dem Weg ihrer politischen Karriere, wobei Ebru bald feststellen muss, dass dieser für sie ungleich schwerere Hindernisse bereithält. Diese reichen von der Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Politik über die Konfrontation mit geschlechtsbezogenen Stereotypen bis hin zu sexistischer und rassistischer Diskriminierung. Während Ebru darum kämpft, sich zu beweisen und diese Hindernisse zu überwinden, wirft der Comic die Frage nach rechtlichen Fördermaßnahmen für Frauen in der Politik auf und thematisiert die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Paritätsgesetzen. Der Comic zeigt die verfassungsrechtliche Spannungslage zwischen Wahlrechtsgrundsätzen, Parteienfreiheit und Gleichberechtigungsgebot auf und stellt Argumente für und wider dar, die den politischen, aber auch den verfassungsrechtlichen Diskurs prägen.

Künstlerin: Zora Rux (http://www.zorarux.de/) – Datum: 15.12.2022

Die Ökologie des Klimawandels

Peter Müller (Ökosystemforscher am Fachbereich Biologie, Universität Hamburg)

➟ Download von „Die Ökologie des Klimawandels“

• Reflexion von Peter Müller

Durch die Darstellung ausgewählter Aspekte des terrestrischen Kohlenstoff-Kreislaufs soll die zentrale Rolle ökologischer Prozesse im globalen Klimasystem aufgezeigt und zugleich verschiedene Forschungsinteressen des Fellows vorgestellt werden. Im Zentrum des Comics sind Interaktionen von Pflanzen und Mikroorganismen im Wurzelraum (Rhizosphäre) dargestellt. Diese Interaktionen haben eine hohe Relevanz für das CO2-Gleichgewicht zwischen Böden und Atmosphäre und stellen ein zentrales Interesse in der Grundlagenforschung von Dr. Peter Müller dar. Des Weiteren wird die besondere Rolle von Feuchtgebieten (wie etwa Salzmarschen, Mangroven oder Moore) im terrestrischen Kohlenstoff-Kreislauf hervorgehoben. Dr. Müller betreibt sowohl experimentelle Forschung, um den Einfluss des Klimawandels auf ökosystemare Kohlenstoff-Flüsse zu verstehen, als auch observative Forschung, um Datenlücken hinsichtlich des Vorkommens natürlicher Kohlenstoffspeicher und Treibhausgasquellen zu schließen.

Künstler: Moritz Stetter (https://www.moritz-stetter.de) – Datum: 15.09.2022

Der lange Teil-Methoden-Ganzes-System-Weg zur individualisierten Medizin

Johannes Hertel (Systembiologie, Universitätsmedizin Greifswald)

➟ Download von „Der lange Teil-Methoden-Ganzes-System-Weg zur individualisierten Medizin“

• Reflexion von Johannes Hertel

Der lange Teil-Methoden-Ganzes-System-Weg-Comic ist eine Reflexion zu der Frage, wie wir über die Kombination systembiologischer Paradigmen zu einem Verständnis der biologischen Prozesse im Individuum Mensch finden. Der Aufhänger (oberer Teil), typisch comic-haft überspitzt, ist dabei die Darm-Gehirn-Achse, welche exemplarisch die individuelle Komplexität menschlicher und mikrobieller Biologie und deren Zusammenhänge mit unserer Gesundheit darstellt. Der mittlere Teil spielt auf die methodische Synthese von statistischer und deterministischer Modellierung an, während der untere Abschnitt die finale Vision des verfolgten Forschungsansatzes illustriert. Dabei fußt die methodische Synthese auf Datenbänken, die versuchen weltweit Wissen über menschliche und mikrobielle Biologie zu konsolidieren. Die Conclusio des Comics spiegelt daher nicht nur die methodologische Synthese, sondern auch die grundsätzlich kooperative, internationale Natur von Forschung in den Lebenswissenschaften. Entstanden unter Beteiligung von Prof. Dr. Ines Thiele (Galway) und Prof. Dr. Anna Köttgen (Freiburg).

Künstlerin: Marlin Beringer (https://www.leaf-imp.de) – Datum: 16.09.2022

Polarisierung durch soziale Medien in Demokratien?

Stefan Wallaschek (Politikwissenschaft, Interdisciplinary Centre for European Studies (ICES), Europa-Universität Flensburg)

➟ Download von „Polarisierung durch soziale Medien in Demokratien?“

• Reflexion von Stefan Wallaschek

Der Comic thematisiert die viel beschworene „Krise der Demokratie“ und fokussiert auf die Rolle sozialer Medien in demokratischen Gesellschaften. Während soziale Medien vielfach für die gesellschaftliche Polarisierung verantwortlich gemacht werden, da sie zum Beispiel Filterblasen und Echokammern schaffen würden, muss auch beachtet werden, wie traditionelle Medien (TV, Presse, Radio) sowie die Politik zu gesellschaftlichen Konflikten beitragen. Die Wechselwirkung zwischen sozialen Medien, traditionellen Medien und Politik muss genauer betrachtet werden, um zu verstehen, wie gesellschaftliche Konflikte entstehen und sich gegebenenfalls verschärfen. Zudem sind es vielfach institutionelle Akteure, die mit ihrer starken Präsenz die öffentliche Debatte bestimmen. Weniger institutionalisierte Akteure nutzen hingegen soziale Medienplattformen, um sich (transnational) zu vernetzen und Gehör zu finden, wodurch die sozialen Medien auch eine empowernde Wirkung entfalten können.

Künstlerin: Hannah Brinkmann (http://www.hannahbrinkmann.com/ ) – Datum: 16.09.2022

Nervenzellen vor Neuroinflammation schützen

Charlotte Schubert (Ärztin und neurowissenschaftliche Postdoc, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)

➟ Download von „Nervenzellen vor Neuroinflammation schützen“

• Reflexion von Charlotte Schubert

Dieser Comic führt in die zentrale Frage meiner wissenschaftlichen Arbeit ein: Durch welche Mechanismen werden Nervenzellen durch Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose geschädigt und welche Möglichkeiten haben wir therapeutisch, diese Prozesse zu stoppen. Bereits im gesunden Zustand ist die Funktion der Nervenzellen und ihre Zusammenarbeit hochkomplex, mindestens ebenso komplex sind die Veränderungen durch Entzündung des Nervengewebes, sog. neuroinflammatorischer Erkrankungen. Der Comic stellt zentrale Faktoren der Erkrankung und das Prinzip der Gefahrensignale vor. Die Auswirkung der Gefahrensignale zu mildern kann eine wichtige Rolle spielen für Patient:innen in der progressiven Phase der Erkrankung.

Künstler: Matteo Farinella (https://matteofarinella.com) – Datum: 15.09.2022

Colonial Man-Eaters

Stephanie Zehnle (Geschichtswissenschaften)

➟ Download von "Colonial Man-Eaters"

Assoziierte Publikationen von Stephanie Zehnle:

  • Stephanie Zehnle 2021: Colonial Man-Eaters. Secret Societies and Murder Trials in British Sierra Leone, Habilitationsschrift, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

  • Stephanie Zehnle 2018: The Liminal Youth between Town and Bush. Humans, Leopards and Initiation in Colonial West Africa. In: Clemens Wischermann / Aline Steinbrecher / Philip Howell (Hg.), Animal History in the Modern City. Exploring Liminality, London: Bloomsbury, S. 161–180. 10.5040/9781350054066.0015

  •  Stephanie Zehnle 2015: Der kolonialistische Comic. Die Genese des „Leopardenmannes“ und die Verbildlichung kolonialer Ängste. In: Closure 2 (Journal für Comicforschung), http://www.closure.uni-kiel.de/closure2/zehnle

Künstlerin: Birgit Weyhe (https://birgit-weyhe.de) – Datum: 18.06.2021

"Leopardenmänner" und koloniale Gerichtsmedizin

Anhand des Todesfalles des etwa 14-jährigen Kalfalla in Sierra Leone im Jahr 1911 wird erklärt, wie unterschiedliche Perspektiven und Deutungen dieses tragischen Unglücks kollidierten. Der Junge war während seiner Initiation in den Männerbund der Poro nachts getötet worden.

Die Schuldfrage wird dabei auch kulturell divergierend erklärt. Zwei etwa gleichaltrige Jungen übernachteten mit Kalfalla zusammen in der Hütte, als er getötet wurde. Einer der Jungen erklärte der Polizei gegenüber, dass er den Täter nicht identifizieren könne, die Väter der Jungen sie aber morgens dazu gedrängt hätten, den Tod einer Giftschlange zuzuschieben, um weitere Skandalisierungen zu vermeiden. Der andere Junge gab an, ein Leopard sei nachts in die Hütte eingedrungen und habe Kalfalla angegriffen.

Die koloniale Gerichtsmedizin widersprach einer 'natürlichen' Todesursache vehement und beharrte darauf, dass nur ein Mensch mit scharfen Gegenständen solche Verletzungen hervorbringen könne. Die christlichen Missionar*innen vor Ort ergriffen ihrerseits die Chance, die von ihnen verhassten indigenen Männerbünde "Poro" für diesen Mord verantwortlich zu machen. Bei der Initiation der Jungen in den Bund würden regelmäßig Kinder getötet und Teile ihrer Leichen in kannibalischen Ritualen verspeist. Schließlich konkurrierten sie darum, die Kinder in ihren jeweiligen Institutionen auszubilden und an sich zu binden. Mit ihrer Abschreckungspropaganda versuchten sie also einerseits die kolonialjuristische Kriminalisierung aller indigenen Geheimgesellschaften zu beschleunigen und andererseits die Eltern der sierra-leonischen Kinder gegen die Poro aufzubringen.

Widersprüchliche Deutungen trafen aber nicht nur zwischen Kolonialisierenden und Kolonisierten aufeinander, sondern auch innerhalb der Familien und Dorfgemeinschaften. Kalfallas Vater konnte keine Auskunft zum Angreifer machen, da er nicht in der Hütte übernachtet hatte. Da er von der Kolonialjustiz und seinem der Mittäterschaft beschuldigt wurde, verteidigte er sich aber vehement. Er habe die Jungen nur deshalb schutzlos in einer Hütte übernachten lassen, weil er während der Initiation nicht auf ihre Arbeitskraft auf den Feldern verzichten konnte. Der ökonomische Druck der britischen Steuerpolitik war seit 1896 immens geworden, aber die Poro verlangten von den Eltern, ihre Kinder für die Initiation über Wochen oder gar Monate in großen Camps im Wald übernachten zu lassen. Aus diesem hatten die Väter der drei Jungen sie aber herausgeholt und stattdessen in relativer Dorfnähe – aber ganz allein – untergebracht. Kalfallas Mutter und andere weibliche Familienangehörige durften sich gar nicht dazu äußern. Ihnen blieb als Mitglieder des Frauenbundes Bundu jegliches Geheimwissen über die männliche Initiation versagt. Die schwarzen Hilfspolizisten aber, die meist aus anderen afrikanischen Kolonien oder der Karibik rekrutiert worden waren, verbreiteten Verschwörungstheorien über angeblich ritualmordende Poro-Gruppen.

Sie wirkten am Mythos von den "Leopardenmännern" mit, der über Hergés „Tim im Kongo“ eine dauerhafte Präsenz in Comic- und Popkultur erhielt. Die gut ausgebildeten afrikanischen Verteidiger aus den urbanen Zentren der Kolonie argumentierten als einzige im Gerichtssaal, dass Kalfallas Verletzungen wahrscheinlich von einer Raubkatze stammten. Der britische Richter glaubte ihnen nicht, wohl aber der Theorie der „Leopardenmänner“. Zwei Väter der Jungen erhielten von ihm daher die Todesstrafe und ein führender Poro lebenslange Haft. Der Fall erklärt die komplexen Zusammenhänge von ökonomischer, ökologischer, religiöser und juristischer Kolonialisierung an einem konkreten Beispiel.

Reflexion

Durch diesen Wissenschaftscomic wollten wir Auszüge aus meiner gleichnamigen Habilitation zur afrikanischen Geschichte darstellen.

Dabei war es mir wichtig, dass die Darstellung der afrikanischen Akteurinnen ohne Rückgriffe auf diffamierende Stereotypen auskommt. Birgit Weyhe hatte sich künstlerisch bereits intensiv mit der Geschichte deutsch-afrikanischer Beziehungen beschäftigt und zu einem diskriminierungsfreien und nicht-rassistischen Stil gefunden. Daher schlug sie vor, die Panels jenseits kolonialer Hierarchien zu ordnen, auch wenn diese Machtgefälle zeitgenössisch vorhanden waren und bis heute fortwirken. Zwar habe ich mit Birgit Weyhe koloniale Fotografien rund um die Mordprozesse gesichtet – etwa von Gefängnissen, Poro-Tänzen, Missionsschulklassen usw. –, aber uns war bewusst, dass sie nur Informationen zu visuellen Details wie etwa zeitgenössischer Kleidung, Haartracht oder Landschaft verschiedener Milieus geben können, wohingegen die typische Anordnung mit weißen Männern (und Frauen) in erhöhten Positionen und Schwarzen in erniedrigter Körperhaltung auf historischen Fotos keinesfalls zu kopieren war. Auch die kolonialistische Ordnung mit einzelnen Weißen als Individuen und großen anonymen Gruppen von Schwarzen galt es zu vermeiden.

Die gleichberechtigte Darstellung der Akteurinnen in je einem Panel als Portrait versucht diese visuellen Ordnungen der Kolonialzeit zu vermeiden. Die Anordnung kann so zwar klassisch von links nach rechts und von oben nach unten gelesen werden. Es geht jedoch auch anders. Das Tableau zeigt kein festes narratives Muster, sondern kann – abgesehen von klar konturiertem Anfang und Ende – auch der Flexibilität von Online-Lesepraktiken entsprechend in ganz unterschiedlichen Reihenfolgen sowie auch unvollständig gelesen werden. Dieses Vorgehen visualisiert die Multiperspektivität, die ich historisch jenseits einer klar binären Dichotomie von Kolonialmacht versus Kolonisierte rekonstruiert habe. Ebenfalls kann so eine Dynamik der kolonialjuristischen Eskalation verbildlicht werden und dennoch die konfuse Gleichzeitigkeit verschiedener historischer Stimmen und Deutungen in einem Maß von Ausdrucksstärke bestehen bleiben, wie es mit einer wissenschaftlichen Textarbeit wie meiner Habilitation, die einem linearen Textfluss folgt, gar nicht möglich ist.

Für mich war es auch ein Anliegen, dass die Gewalt unabhängig von Täterschaft gezeigt wird, gerade weil die Kolonialarchive und die Kolonialpropaganda sie tabuisierten. Nur auf diese Weise wird klar, wie eine koloniale Gesellschaft, die durchaus mit dem Sterben vertraut war, durch den gewaltsamen Tod von Kindern wie Kalfalla derart aus den Fugen geraten konnte. Und nur dadurch wird visuell klar, wie die Kolonialmacht die schockierende Gewalt durch ihre Rolle als Richter noch vervielfachte und daher Verschwörungstheorien unabsichtlich weiter befeuerte. Birgit Weyhe hat für diese Panels einen respekt- und pietätvollen Weg gefunden.

Philosophie der Quantengravitation

Niels Linnemann (Philosophie der Physik und Wissenschaftstheorie)

➟ Download von "Philosophie der Quantengravitation"

Assoziierte Publikationen von Niels Linnemann:

  • Linnemann, Niels: Non-empirical robustness arguments in quantum gravity. Studies of History and Philosophy of Modern Physics (2020). doi: 10.1016/j.shpsb.2020.06.001

  • Linnemann, Niels: On the empirical coherence and the spatiotemporal gap problem in quantum gravity — and why 
    functionalism does not (have to) help. Synthese: SI Spacetime Functionalism (2020). doi: 10.1007/s11229-020-02659-3

  • Linnemann, Niels & Visser, Manus: Hints toward the emergent nature of gravity. Studies of History and Philosophy of Modern Physics (2018). Doi: 10.1016/j.shpsb.2018.04.001

  • Crowther, Karen & Linnemann, Niels: Renormalizability, fundamentality, and a final theory: The role of UV-completion in the search for quantum gravity. The British Journal for the Philosophy of Science (2017). Doi: 10.1093/bjps/axx052

Künstler: Moritz Stetter (https://www.moritz-stetter.de) – Datum: 31.05.2021

Wie eine physikalische Theorie konstruieren?

Der Comic führt in die zentrale Problematik ein, die in meiner Doktorarbeit zur Philosophie der Quantengravitation behandelt wird: Welche Methoden werden und sollten in der Konstruktion einer physikalischen Theorie ohne (direkte) empirische Daten - wie es für die Entwicklung von Quantengravitationstheorien der Fall ist - angewandt werden?

Reflexion

Nach einigen ersten Gesprächen zur Philosophie der Quantengravitation kristallisierte sich heraus, dass vieles in meiner Arbeit mit sehr starken Bildern verknüpft war - die Schwierigkeit in der Anfertigung des Comics bestand daher vor allem darin, für den Außenstehenden interessante Bilder auszuwählen und in einen eindrucksvollen Zusammenhang zu bringen.

Relativ früh drängte Moritz auf eine nicht-lineare Struktur für den Comic. Als große Klammer für die einzelnen Bilder bot
sich der Urknall und die seit diesem stattfindende Expansion des Universums an (schließlich erwartet man sich von einer Theorie der Quantengravitation Aufschluss über die Natur des Urknalls). Der Urknall selbst wird durch eine atomare Struktur dargestellt, was betont, dass die Quantenmechanik zu seiner Beschreibung eine große Rolle spielt. Zudem haben wir uns die Freiheit genommen, den Expansionstrichter auch gleichzeitig - von innen aus betrachtet - als schwarzes
Loch umzudeuten, das genauso wie der Urknall mit einer Raumzeitsingularität verknüpft ist, deren Natur wohl erst durch eine Theorie der Quantengravitation geklärt werden wird.

Braintalk

Bettina Schwab (Neurowissenschaften)

➟ Download von "Braintalk"

Assoziierte Publikation von Bettina Schwab:

  • Bettina C. Schwab, Jonas Misselhorn, Andreas K. Engel, Modulation of large-scale cortical coupling by transcranial alternating current stimulation, Brain Stimulation, Volume 12, Issue 5, 2019, Pages 1187-1196, https://doi.org/10.1016/j.brs.2019.04.013

Künstlerinnen: Veronika Mischitz (Konzept & Story), Anna Fuchs (Umsetzung) – Datum: 30.06.2021

Der Kommunikation im Gehirn auf der Spur

Nervenzellen in unserem Gehirn kommunizieren über elektrische Impulse. Über eine nichtinvasive Technik — das Elektroenzephalogramm (EEG) — können wir untersuchen, wie sich große Gebiete im Gehirn zueinander verhalten, wenn sie miteinander kommunizieren.

Oft schwingen diese Gebiete dabei phasengleich, sie synchronisieren sich. Ob eine solche Synchronisierung jedoch ursächlich an der Kommunikation beteiligt ist, und ob sie auch für die Symptome von Krankheiten verantwortlich sein kann, wissen wir noch nicht genau. Deshalb stimulieren wir das Gehirn von außen mit elektrischen Strömen. Dabei können wir zwei Gebiete des Gehirns gleichzeitig oder abwechselnd stimulieren und im EEG beobachten, ob sich die Gebiete dadurch synchronisieren. Mit diesem Setup kann dann untersucht werden, welchen Einfluss die Synchronisierung auf Kommunikation im Gehirn hat und insbesondere, ob es einen Zusammenhang zu den Symptomen neurologischer Erkrankungen gibt.

Reflexion

Véro Mischitz und Anna Fuchs fassen in diesem Comic einen Grundgedanken meiner neurowissenschaftlichen Arbeit allgemeinverständlich zusammen. Durch ihren Hintergrund in Biologie konnte sich Véro Mischitz fachlich einarbeiten und präsentierte verschiedene Herangehensweisen an die entsprechende Publikation. In regelmäßigen Abständen haben wir kritische Punkte und deren Darstellung diskutiert, beispielsweise auch ethische Aspekte der Hirnstimulation.

Die Zusammenarbeit war für mich eine ausgezeichnete Gelegenheit um zu reflektieren, wie meine Wissenschaft in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, und zu welchen Missverständnissen es kommen könnte.

Umweltschutz im bewaffneten Konflikt

Anne Dienelt (Rechtswissenschaften)

➟ Download von "Umweltschutz im bewaffneten Konflikt"

Assoziierte Publikationen von Anne Dienelt:

  • Dienelt, Armed Conflicts and the Environment: Complementing the Laws of Armed Conflict with International Environmental Law and Human Rights Law, Dissertation, Georg-August-Universität, Göttingen, 2019
  • Dienelt/Oeter, Die Prinzipien der UN Völkerrechtskommission zu „Schutz der Umwelt in Bezug auf bewaffnete Konflikte“ – Eine Erweiterung des Schutzes der Umwelt ohne Änderung des humanitären Völkerrechts?, 143-162, in: Hofmann/Malkmus (Hrsg.), 70 Jahre Genfer Konventionen - Stand und Perspektiven des humanitären Völkerrechts, 2021

Künstlerin: Marlin Beringer (www.leaf-imp.de) – Datum: 31.05.2021

Wie die Umwelt juristisch schützen

Die "natürliche Umwelt" ist im bewaffneten Konflikt durch das humanitäre Völkerrecht geschützt und darf grundsätzlich nicht direkt angegriffen werden. Unterstützend wird die Umwelt im Krieg auch durch einzelne Verträge im Umweltvölkerrecht und einige Menschenrechte geschützt. Das genaue Verhältnis der Verträge und Rechte aus humanitärem Völkerrecht, Umweltvölkerrecht und Menschenrechten gilt es näher zu untersuchen.

Der explizite Schutz der Umwelt im bewaffneten Konflikt wurde erst nach dem Vietnamkrieg in das 1. Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen aufgenommen. Dieser Schutz ist sehr vage gehalten, so dass zur Klärung einzelner Rechtsfragen in diesem Zusammenhang andere Rechtsgebiete des Völkerrechts, wie bspw. das Umweltvölkerrecht oder Menschenrechte, unterstützend herangezogen werden können. Methodisch gestaltet sich dieses Zusammenspiel mehrerer Völkerrechtsgebiete als komplexe Herausforderung mit zahlreichen Begrenzungen in der praktischen Anwendung. Daher wurde im Rahmen des Promotionsprojektes ein Ansatz entwickelt, welcher über die aktuell bestehenden Harmonisierungsmethoden verschiedener Völkerrechtsgebiete hinausgeht.

Reflexion

Die gemeinsame Erarbeitung des Comics war in vielerlei Hinsicht sehr erkenntnis- und lehrreich! Ausgangspunkt waren einige meiner Veröffentlichungen zu der Thematik, welche ich der Künstlerin Marlin Beringer zur Verfügung gestellt habe. Sie hat sich mit diesen Unterlagen in das Thema eingearbeitet und anschließend mit mir ihr Verständnis meiner Disziplin, des Themas und auch meines Lösungsansatzes besprochen. Dadurch hatte ich zum einen die Möglichkeit zu erfahren, wie eine fachfremde Person (Marlin Beringer ist nicht Juristin) meine Texte, welche für ein Fachpublikum geschrieben wurden, versteht und interpretiert. Zum anderen hat sie hat auch direkt Bilder mit meinen Texten assoziiert und konnte diese für eine erste Skizze des Comics nutzen. Dieses bildliche Denken ist sicherlich ein Werkzeug, welches ich zukünftig auch im Zuge meiner Arbeit in Forschung und Lehre mehr einsetzen werde.

Bilder veranschaulichen Themen und Probleme nicht nur für Laien. Auch einem Fachpublikum kann dadurch der Einstieg in ein Forschungsprojekt oder Themenfeld vereinfacht werden. Im Ergebnis haben wir uns entschieden, den Comic zum Einstieg in die Problematik zu nutzen. Die von mir ausgearbeiteten Lösungsansätze werden letztendlich nur in einem Comic Panel kurz in Form einer Forschungsfrage angesprochen. Da eine Ausstellung der Wissenschaftscomics geplant ist, können diese Ansätze dann im direkten Gespräch mit Leser:innen diskutiert werden. Ich kann den Comic aber auch genauso für meine Lehre an der Universität verwenden und ihn als Themeneinstieg und Diskussionsvorlage mit Studierenden nutzen.

Das finale Panel spricht die Leser:innen direkt an: Nicht nur Staaten und Wissenschaft können und sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen, jede:r Einzelne kann Druck auf Staaten erzeugen und sich für einen besseren Umweltschutz im Krieg einsetzen. Mir persönlich hat diese direkte Ermutigung von einzelnen Personen sehr gut gefallen, auch wenn dies in wissenschaftlichen Texten eher unüblich ist. Es wird dadurch aber klar, dass durch den Comic auch eine Sensibilisierung für die Thematik entsteht und dies nicht nur der Information, sondern auch der Motivation der Gesellschaft dient. Das wichtige Zusammenspiel von Wissenschaft und Gesellschaft wird damit angeschnitten, und genau darum geht es meines Erachtens auch bei Wissenschaftskommunikation.

Ethische Innovation mit KI

Christian Herzog (Technikethik)

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Assoziierte Publikation von Christian Herzog:

Künstler: Hamed Eshrat (https://www.eshrat.de) – Datum: 17.06.2021

Von "Ethik-washing" und Habermas, von Moral und KI

Der Ethical Innovation Hub der Universität zu Lübeck arbeitet daran, die Berücksichtigung ethischer und gesellschaftlicher Aspekte in den technologischen Entwicklungsprozess zu integrieren und damit sichtbar und systematisch produktiv zu machen. Im inhaltlichen Fokus steht derzeit der Transfer der Methoden der Künstlichen Intelligenz in die vorwiegend medizintechnische Anwendung.

Diese Integration bewegt sich in dem Spannungsfeld, "Ethik" sowohl in effektiver und effizienter Weise operationalisierbar zu machen und somit auch als eine Art „Treiber“ von Innovationen zu verstehen, gleichzeitig aber auch die kritische Distanz geisteswissenschaftlicher Reflexion nicht zu verleugnen. Der Ethical Innovation Hub sieht es daher als seine Aufgabe, ethische Bedenken in ein positiv konstruktives Milieu zu wandeln, welches nicht im Sinne eines „Ethics-Washing“ für Marketingzwecke vereinnahmt werden darf. Die Integration muss also im beiderseitigen offenen Austausch und in einer vertrauensvollen interdisziplinären Zusammenarbeit erfolgen. Die ideale Sprechsituation nach Habermas stellt dafür ein gutes, zum Teil aber auch unerreichbares Leitbild dar: Partizipative Ansätze sollen Zeit und Raum für die Ausbildung von Empathie in einer Gruppe bilden, in der Machtgefälle neutralisiert sind und alle Akteure in Offenheit und Transparenz, d.h. ohne strategische Einflussnahme, miteinander auf der Suche nach dem überzeugendsten Argument lösungsorientiert diskutieren.

In diesem Sinne stehen wir dafür, beispielsweise die moralische Komponente vertrauenswürdiger KI-Systeme zu thematisieren, die jenseits von Verlässlichkeit und robuster technischer Realisierung auch Aspekte berücksichtigt, die im assoziierten sozio-technischen Gesamtsystem relevant sind: Fairness, Kooperation, Kommunikation, Empathie etc. Konstruktiv wird dies, wenn zum Beispiel sogenannte erklärbare KI-Systeme nicht nur die Erklärbarkeit im Kontext der Regulatorik berücksichtigen, sondern auch die soziale Funktion von Erklärung im Anwendungskontext ebenso wichtig ist.

Reflexion

Die Erstellung eines Wissenschaftscomics zu der Arbeit des Ethical Innovation Hubs ist in mindestens zweierlei Hinsicht produktiv. Zum einen visualisiert das Comic die thematische Ausrichtung und den Kooperationsansatz der Arbeitsgruppe. Zum anderen wird das Comic dadurch auch ein Teil der Arbeit im Ethical Innovation Hub selbst, da ein nicht unerheblicher Anteil des zeitlichen Aufwandes darin besteht, eine vertrauensvolle Grundlage für eine Zusammenarbeit im Sinne einer Befähigung zur ethischen Reflexion zu schaffen. Der Ethical Innovation Hub versteht sich nicht als Dienstleister für die ethische Bewertung von Entwicklungs- und Innovationsprozessen, sondern vielmehr in der Bestärkung von Entwicklungsteams, die eigenen Visionen und Wertvorstellungen kritisch und systematisch zu hinterfragen und den Wert der Partizipation sogenannter anderer Stakeholder in der eigenen Entwicklungsarbeit zu erkennen. Auf ganz ähnliche Weise spiegelt das Comic auch den Prozess der Erstellung wieder. Der Dialog über die Forschungs- und Arbeitsinhalte des Ethical Innovation Hub mit dem Künstler Hamed Eshrat entwickelte sich im Rahmen einer Reihe von einzelnen Zwiegesprächen, die ein zunehmend klareres Bild erzeugten. In fast journalistischer Manier stellte Herr Eshrat kritische Fragen zu Hindernissen und Schwierigkeiten, zu Erfolgsmessungen und Leitprinzipien, sowie nicht zuletzt zum zugrundeliegenden Ethikverständnis. In der angewandten Ethik muss dieses zwangsläufig auch trotz der Formulierung klarer Ideale wider des Dogmas einer rein auf Zuverlässigkeit fokussierten Technikgestaltung zu offenen Enden führen. Mit einem solchen schließt auch das Comic.

Das Haus und seine Abfälle: London um 1750

Franziska Neumann (Geschichtswissenschaften)

➟ Download von "Das Haus und seine Abfälle: London um 1750"

Assoziierte Publikationen von Franziska Neumann:

  • The Realm of Cloacina? Excrement in London’s Eighteenth-Century Waste Regime, in: German Historical Institute London Bulletin [im Erscheinen];

  • E is for Excrement, in: Wastiary. Think Pieces. Institute for Advanced Studies, UCL London [im Erscheinen];

  • Entscheidend ist, was hinten raus kommt – Die Sitzung auf dem stillen Örtchen, in: Zeitschrift für Ideengeschichte [im Erscheinen]

Künstler: Simon Schwartz (https://www.simon-schwartz.com) – Datum: 19.05.2021

Stoffkreisläufe und Abfallwirtschaft früher

Der Comic visualisiert mein aktuelles Forschungsprojekt zu Abfällen in vormodernen Großstädten im 18. Jahrhundert. Im Mittelpunkt des Comics steht ein typischer Londoner Haushalt in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Stilistisch als Wimmelbild angelegt, zeigt der Comic, welche Arten von Abfallstoffen im Haus anfielen: von Exkrementen, über Heizreste und zerbrochenes Geschirr bis hin zu Kochresten. Zugleich greift der Comic auf einer zweiten Ebene auf, in welche Stoffkreisläufe und Abfallökonomien Haushaltsabfälle eingebunden waren.

Reflexion

Mir war es besonders wichtig, gemeinsam mit Simon Schwartz einen Comic zu entwickeln, den ich in verschiedenen Formaten (etwa im Rahmen von Vorträgen) zur Visualisierung meiner Arbeit nutzen kann. Daher haben wir uns sehr schnell darauf geeinigt, nicht meine Person, sondern die Inhalte meiner Forschung in den Mittelpunkt zu rücken.

Die offene Gestaltung des Comics erlaubt es mir, den Comic je nach Bedarf etwa zur visuellen Unterstützung in Vorträgen einzusetzen, und auf verschiedene Aspekte von häuslichen Abfällen in der frühneuzeitlichen Stadt zu fokussieren.

Was trägt die Ethik zur Bearbeitung von gesellschaftlichen Konflikten bei?

Hermann Diebel-Fischer (Ethik)

Das Für und Wider rund um den Bau eines Windparks

Der Comic stellt den Beitrag der Ethik zur Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte dar: Anhand des Konflikts um die Erbauung eines Windparks zu Forschungszwecken vor einer Küste werden die Argumente der Befürworter*innen und Gegner*innen gegenüberstellt. Nach der Habermas’schen Theorie, dass das bessere Argument sich unter den Bedingungen eines idealisierten, herrschaftsfreien Diskurses durchsetzt, sollte ein Konflikt über Anwendung der Vernunft beigelegt werden können. Stattdessen weisen Konflikte bisweilen Prämissen in ihren Strukturen auf, die sich nicht auf rationalem Wege aufbrechen lassen. Die Aufgabe der Ethik besteht hier zunächst in einer Beschreibung des Konflikts und seiner Bedingungen, um die beteiligten Parteien im Austausch zu halten. Ethik wirkt hier moderierend, was sie nicht unbedeutend macht, sondern die Beteiligten dazu befähigt, verfahrene Situationen als solche zu erkennen und so damit umzugehen, dass ein gesellschaftlicher Zusammenhalt trotzdem möglich bleibt.

Reflexion

Ein geisteswissenschaftliches Thema visuell auf einer Seite so zu veranschaulichen, dass das Ergebnis in seiner gebotenen Kürze fachlich vertretbar ist, stellte sich für mich als große Herausforderung dar. In einer eher textlastigen Wissenschaft wie der Theologie und der Ethik geht es gerade darum, sehr genau zu explizieren, worum es geht – dies in Form eines Wissenschaftscomics abzubilden erschien mir unmöglich, weswegen ich für die Anregung von Simon Schwartz sehr dankbar war, einen sehr speziellen, gleichwohl auch exemplarischen Fall der angewandten Ethik zu nutzen. Am Ende fiel die Wahl auf das stark abstrahierte und zugespitzte Windkraft-Beispiel, da sich so ein gesellschaftlicher Konflikt pointiert darstellen lässt, zudem aber auch von einer Metaebene auf diesen Konflikt geblickt werden kann. Es kam mir darauf an, dass deutlich wird, was Ethik gerade nicht ist, nämlich das Entscheiden von Konflikten. Anhand von Stichwörtern und Textteilen, die ich lieferte, hat Simon Schwartz den Comic in seiner vorliegenden Form erstellt. Es ist ihm hervorragend gelungen, die verschiedenen Ebenen, von denen ein solcher Konflikt betrachtet werden kann, graphisch umzusetzen.

Wissenschaftscomics beim Comicfestival Hamburg

Im Rahmen des Comicfestivals Hamburg konnten Besucher:innen die Wissenschaftscomics der YAFs im Herbst 2022 und 2023 in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg besichtigen.

Pressebericht

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Oktober 2022: "Wissenschaftscomics. Apologie der Sprechblase"