Der Mensch denkt ? wer lenkt? Hirnforschung im Gespräch - Hamburger Akademievorlesungen 2008/2009

13. Oktober 2008

Die Vorlesungsreihe der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ist im kommenden Wintersemester den Neurowissenschaften gewidmet. Unter der Überschrift ?Der Mensch denkt ? wer lenkt? Hirnforschung im Gespräch? werden an fünf Abenden die Erkenntnisse und Erklärungsansprüche der Hirnforschung kritisch hinterfragt. Zum Auftakt der Reihe spricht am Montag, 20. Oktober 2008 der Zürcher Philosophie-Professor Lutz Wingert ?Über die Wirksamkeit des menschlichen Geistes in der Welt?.

Bewusste Wahrnehmungen, Gedanken, Vorstellungen oder Erinnerungen empfinden wir als immateriell, doch laut den Erkenntnissen der Hirnforschung sind diese geistigen Zustände aufs engste mit Prozessen im Gehirn verbunden: Nicht unser Ich denkt und  entscheidet, sondern unsere Gedanken und Entscheidungen sind ? so namhafte Hirnforscher ? rein neurophysiologische Prozesse. Diese ?Biologisierung des Geistigen? hat weitreichende Konsequenzen für unser Menschenbild und verweist nicht zuletzt die Existenz eines freien Willens in das Reich der Illusionen.

In den vergangenen Jahren wurden die Erkenntnisse der Neurowissenschaften kontrovers diskutiert ? sowohl in den (Geistes-)Wissenschaften als auch in der breiteren Öffentlichkeit. Die Akademievorlesungen 2008/2009 greifen diese Debatte auf und laden zu einer interdisziplinären Auseinandersetzung ein: Aus philosophischer, psychologischer, historischer und rechtswissenschaftlicher Perspektive werden Methoden, Schlussfolgerungen und Forderungen der Hirnforschung einer Überprüfung unterzogen.

Die erste Vorlesung trägt den Titel ?Über die Wirksamkeit des menschlichen Geistes in der Welt. ?Der Streit über die Erklärungsleistung der Hirnforschung?, so der Referent Prof. Wingert,  ?dreht sich auch darum, was eigentlich wirklich ist. Wirklich ist, was mitunter Wirkungen hat. Deshalb hat die Kontroverse um die Hirnforschung auch mit der Frage danach zu tun, wie der menschliche Geist in der Welt wirksam ist.?

Weitere Referenten sind der Philosophie-Professor und Leibniz-Preisträger Prof. Martin Carrier, Universität Bielefeld, der in seinem Vortrag die Debatte über ?Freiheit und Neurodeterminismus? thematisieren wird. Der Freiburger Psychiater und Neurowissenschaftler Prof. Ludger Tebartz von Elst setzt sich kritisch mit Begrifflichkeit und Methoden seiner Fachkollegen auseinander. Die Bilder des Gehirns als kulturelle Erzeugnisse analysiert der Zürcher Wissenschaftshistoriker Prof. Michael Hagner. Axel Boetticher, langjähriger Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, spricht aus der Sicht des Strafrechtlers über die Forderungen einiger Hirnforscher, als Konsequenz ihrer Erkenntnisse das Strafrecht abzuschaffen.

Alle Interessierten sind zu den Veranstaltungen herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei. Um Anmeldung wird erbeten unter veranstaltungen(at)awhamburg.de

Die Veranstaltungen finden in den Baseler Hof Sälen, Esplanade 15, 20354 Hamburg statt.

Veranstaltungsdaten

Montag, 20. Oktober 2008, 19.00 Uhr
Prof. Dr. Lutz Wingert, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Über die Wirksamkeit des menschlichen Geistes in der Welt

Donnerstag, 13. November 2008, 19.00 Uhr
Professor Dr. Martin Carrier, Universität Bielefeld
Sind wir noch Herr im eigenen Haus? Bewusstsein, Wille, Neurowissenschaft

Donnerstag, 11. Dezember 2008, 19.00 Uhr
Prof. Dr. Ludger Tebartz van Elst, Universität Freiburg
Freiheit im neuronalen Netz

Donnerstag, 15. Januar 2009, 19.00 Uhr
Prof. Dr. Michael Hagner, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
Was man im Gehirn sieht und sehen möchte

Donnerstag, 5. Februar 2009, 19.00 Uhr
Dr. Axel Boetticher, Bundesgerichtshof Karlsruhe
Die Neurowissenschaften, ihre neuen Thesen zur Willensfreiheit und ihr Einfluss auf das Strafrecht

Der Akademie der Wissenschaften in Hamburg (gegründet 2004) gehören herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen aus dem norddeutschen Raum an. Als Arbeitsakademie will sie dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen Fächern, Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zu intensivieren. Sie fördert Forschungen zu gesellschaftlich bedeutenden Zukunftsfragen und wissenschaftlichen Grundlagenproblemen und macht es sich zur besonderen Aufgabe, den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit anzuregen.

Kontakt

Dr. Annette Wiesheu, Akademie der Wissenschaften in Hamburg
Tel. 040/42 94 86 69-20, E-Mail: annette.wiesheu@awhamburg.de
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