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Mit Immunmodulationen HIV in Schach halten

Im Gespräch: Florian Klein, Preisträger des Hamburger Wissenschaftspreises 2025 „Immunmodulation“

Bei einer passiven Immunisierung erhalten Menschen fertige Antikörper, die vor einer Infektion schützen sollen oder als Therapie bei Krankheiten eingesetzt werden. Diese „Passive Impfung“ kommt dann zum Einsatz, wenn es keine klassische Impfung gibt oder der eigene Körper nicht in der Lage ist, wirksame Antikörper selber zu bilden. Zudem werden Antikörper als Medikament zur Behandlung von akuten und chronischen Infektionen entwickelt. Sie stellen damit einen wichtigen Baustein zur Verhinderung und effektiven Therapie von Infektionen dar.

Der Preisträger des Hamburger Wissenschaftspreises 2025, Prof. Dr. Florian Klein, erforscht die Entwicklung von Antikörpern und deren gezielten Einsatz gegen Virusinfektionen. Einer seiner Schwerpunkte liegt dabei auf HIV, also dem Humanen Immundefizienz-Virus. Wichtige Partner bei dieser Forschung sind Menschen, die selbst mit HIV infiziert sind und deren Antikörper das HI-Virus erstaunlich gut neutralisieren, also unschädlich machen können. Solche Menschen gibt es nur sehr wenige. Im Interview erklärt der Virologe und Immunologe, was man über deren Immunsystem weiß und wie er Antikörper zur HIV-Therapie einsetzen will.

Ganz zentral in Ihrer Forschung sind die so genannten monoklonalen antiviralen Antikörper. Was zeichnet diese Antikörper aus?

Antikörper kennen die meisten. Es sind Proteine, die im Blut zirkulieren und uns vor Infektionserregern schützen können. Unser Körper stellt sie selber her und macht damit Krankheitserreger unschädlich. Antikörper binden sehr spezifisch – also wie bei einem Schlüssel-Schloss-Prinzip – an ganz bestimmte Strukturen von zum Beispiel Viren oder Bakterien. Antiviral heißt, dass diese Antikörper gegen Viren gerichtet sind. Monoklonal bedeutet, dass jeder dieser Antikörper von einer einzelnen Zelle beziehungsweise einem Zellklon stammt und damit auch in großen Mengen in identischer Weise hergestellt werden kann.

Wofür brauchen Sie diese Antikörper?

Antikörper machen Viren unschädlich, indem sie an ganz bestimmte Proteine an der Oberfläche des Virus binden. Wir wollen verstehen, wie genau die Antikörper mit Virusstrukturen interagieren und wie das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern auf eine Infektion oder Impfung reagiert. Das ist Grundlagenforschung, aber sehr anwendungsorientiert. Mit unserer Forschung können wir unter anderem Bereiche identifizieren, an denen das Virus besonders vulnerabel, also verwundbar ist. So  können wir sogenannte breit-neutralisierende Antikörper entdecken, die mit großer Wirkung eine Virusinfektion verhindern können. Mit diesem Wissen können wir auch einen Betrag leisten, dass bessere Impfstoffe beziehungsweise Impfstrategien entwickelt werden. 

Grundlagenforschung, anwendungsorientiert

Der Hamburger Wissenschaftspreis 2025 ist dem Thema "Immunmodulation" gewidmet. Immunmodulation heißt, die Aktivität des Immunsystems zu verändern. Welche Modulationen nehmen Sie am Immunsystem vor?

Durch die Gabe eines speziellen Antikörpers ergänzen wir die Immunantwort und erlauben, krankmachende Viren abzufangen. Der Antikörper interagiert jedoch mit vielen anderen Bereichen des Immunsystems. Zum Beispiel tragen eine Vielzahl von Immunzellen Rezeptoren auf der Oberfläche, die von Antikörpern genutzt werden und damit zu einer besseren Infektionskontrolle beitragen. Noch gibt es hier aber viele offene Fragen und zusätzliche Erkenntnisse werden einen noch effektiveren Einsatz von Antikörpern ermöglichen. Ein Beispiel: Wir beobachten aktuell, dass bei einigen Personen, die mit HIV infiziert sind und eine Antikörpertherapie erhalten haben, das eigene Immunsystem stimuliert wird und es teilweise sogar zu einer vollständigen Viruskontrolle kommt. Den hier zu Grunde liegenden Mechanismus zu verstehen und dann diese Form der Immunmodulation nutzbar zu machen, ist eines unserer wichtigsten Forschungsziele.

Wie sieht so eine passive Impfung aus?

Kommt unser Immunsystem in Kontakt mit einer fremden Struktur werden Antikörper gebildet. Dieses kann durch ein Virus oder einen Impfstoff ausgelöst werden. Die Antikörper-Bildung beginnt dabei nach einigen Tagen. Bei einer passiven Immunisierung, also„passiver Impfung“ werden zuvor hergestellte Antikörper direkt verabreicht. Diese Antikörper bieten einen sofortigen, jedoch nur vorübergehenden Schutz, bevor sie wieder abgebaut werden.

Wichtigkeit von passiver Impfung

Ein Beispiel dafür ist die passive Immunisierung gegen das Humane Respiratorische Synzytial--Virus, kurz RSV. Das RS-Virus kann bei Babys und Kleinkindern Lungenentzündungen mit zum Teil schweren Verläufen hervorrufen. Seit Kurzem empfiehlt die Ständige Impfkommission diese Immunisierung für alle Neugeborenen und Säuglinge. Diese erfolgt durch die einmalige Gabe eines monoklonalen Antikörpers, der die Kinder für die Dauer der RSV-Saison, etwa sechs Monate, vor schweren Verläufen schützt. Diese passiven Immunisierungen sind daher ein wichtiger Baustein in unserem Repertoire an Möglichkeiten, um Infektionskrankheiten zu vermeiden.

Es gibt auch noch die Möglichkeit monoklonale Antikörper als Therapeutikum einzusetzen, wie es bei SARS-CoV-2 teilweise bei schwer erkrankten Menschen gemacht wurde.

Richtig. Bei SARS-CoV-2 wurden verschiedene Antikörper entwickelt, die in der Frühphase der Erkrankung eine sehr gute Wirkung entfaltet haben und schwere Verläufe der Erkrankung in aller Regel verhindert haben. In unserer Arbeitsgruppe haben wir diesbezüglich in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und der Firma Boehringer Ingelheim den Antikörper DZIF-10c entwickelt. Dieser wurde bereits wenige Monate nach Beginn der Pandemie entwickelt und Ende 2020 in klinischen Studien untersucht. Auch gegen Ebola-Viren wurden mittlerweile sehr effektive Antikörper-Therapien entwickelt und von den Behörden zur Behandlung zugelassen.

Sie haben nicht nur an HIV geforscht, sondern auch an Ebola und an SARS-CoV-2 lassen sich Ihre Methoden beliebig auf alle Viren anwenden?

Theoretisch ja, aber es ist sehr aufwendig, sich mit einem neuen Erreger zu beschäftigen. Man muss viel neues Wissen erwerben und sehr gute Partner haben, um alle Aspekte des jeweiligen Infektionserregers zu beleuchten. Zudem muss man immer bewerten, welche Rolle die Antikörper-Antwort bei der Infektionskontrolle eines Erregers spielt. Nicht alle Viren oder Bakterien lassen sich gleich gut durch Antikörper angreifen und unschädlich machen.

Antikörper-Therapie effektiv, wo möglich

Sie haben während der Covid-19-Pandemie den so genannten Lolli-Test für Schulkinder entwickelt, an dem vor allem die Untersuchung der gewonnenen Proben innovativ war. Es wurden nämlich erst einmal alle Proben einer Klasse gemeinsam untersucht, und nur wenn der Test positiv ausfiel, wurden die Kinder noch einmal einzeln getestet. Das war ein wichtiger Schritt, weil er die Labore enorm entlastet hat. Mit Ihrer Forschung hat das aber erst einmal wenig zu tun gehabt. Was ist für Sie wichtiger - Anwendung oder Erkenntnis?

Da mache ich keinen Unterschied. Ich mache translationale Forschung. Bei der geht es darum, wissenschaftliche Erkenntnisse zurück zum Patienten zu bringen. Meine Forschung, oder eher gesagt – die Forschung meines Teams und meiner Kooperationspartner – ist getrieben von der Frage, wie man mithilfe unserer Erkenntnisse etwas entwickeln kann, was unserer Gesellschaft und unseren Patienten hilft. Beim Lolli-Test war unser Antrieb, ein Stück weit mehr Sicherheit und Freiheit für uns alle und vor allem für die Kinder zurückgewinnen zu können.

Preisgeld für HIV-Forschung

Der Hamburger Wissenschaftspreis ist mit 150.000 Euro dotiert. Wofür werden Sie das Preisgeld einsetzen?

Das Preisgeld wird in die HIV-Forschung fließen. Und zwar in die bereits zuvor erwähnte Beobachtung, dass die Gabe von sogenannten breit-neutralisierenden Antikörpern bei einigen Patienten zu einem überraschend langanhaltenden Effekt der Virus-Kontrolle führt. In der Tat sehen wir, dass in diesen Fällen das Virus durch das eigene Immunsystem der Patienten in Schach gehalten wird. Dieses kann über Jahre anhalten, ohne dass wir das Virus im Blut der Patienten nachweisen können. Wir vermuten, dass der Grund dafür ein Zusammenspiel von zellulären Bestandteilen des Immunsystems und den zugeführten Antikörpern ist. Wie genau das funktioniert, wissen wir jedoch nicht. Das großzügige Preisgeld gibt uns nun die Möglichkeit, die genauen Zusammenhänge zu verstehen. Damit nicht nur einige wenige, sondern viele Patienten profitieren können. Das wäre ein sehr großer Schritt.

Das Interview führte Annick Eimer.

Veröffentlicht am 6. Oktober 2025