Deutsche Gerichte entscheiden grenzüberschreitende Fälle nicht notwendigerweise nach deutschem Recht. Die Vorschriften des internationalen Privatrechts können vielmehr die Anwendung ausländischen Rechts vorgeben. Das deutsche Privatrecht erhebt keinen universellen Anwendungsanspruch. Insbesondere wenn das internationale Privatrecht islamisch geprägtes Familien- und Erbrecht für anwendbar erklärt, können infolgedessen inländische und ausländische Gerechtigkeitsvorstellungen kollidieren. Problematische Fälle ergeben sich vor allem im Zusammenhang mit Ungleichbehandlungen der Geschlechter und dem Ehemündigkeitsalter. Überwiegend ist es den Gerichten überlassen, derartige Konflikte einzelfallgerecht aufzulösen. Zu bestimmten Fragen hat die deutsche Gesetzgebung jedoch dezidierte Vorgaben getroffen. Der Vortrag zeichnet diese Entwicklungen nach und fragt, wie tolerant die deutsche Rechtsprechung und Gesetzgebung mit islamisch geprägten Familien- und Erbrechten umgehen.
Lukas Rademacher studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Düsseldorf und Oxford, wurde an der Universität Münster promoviert und habilitierte sich an der Universität zu Köln. Seit 2023 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Co-Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht.