Die Zeit des Nationalsozialismus ist auch mit Blick auf die Musikgeschichte eines der düstersten historischen Kapitel. Die Musikgeschichtsschreibung sähe anders aus, hätte es den Terror des NS-Regimes nicht gegeben. Reichhaltige, aber bisher nicht ausgeschöpfte Quellen warten darauf erschlossen zu werden, um eben die Musikgeschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts zu revidieren, das heißt unter anderem, sie zu korrigieren und zu präzisieren. Gerade auch verfolgte und ermordete Personen können so mit ihrem Schaffen einen angemessenen Platz in der Musikgeschichte einnehmen. Die Forschung auf diesem Feld bekommt jetzt einen neuen Schub: Seit Beginn des Jahres 2025 gibt es an der Akademie der Wissenschaften in Hamburg das neue Langzeitvorhaben „NS-Verfolgung und Musikgeschichte“: Das neue Projekt wird über 18 Jahre bis Ende des Jahres 2042 laufen.
In Folge 14 des Akademie-Podcasts „Wissenschaft als Kompass“ gibt Projektleiter Prof. Dr. Friedrich Geiger Einblicke in die konkrete Arbeit, die Methoden und die übergeordneten Themen, die auf Basis der vorgenommenen Grundlagenforschung zu bearbeiten sind. So lassen sich voraussichtlich durch gruppenbiographische Erkenntnisse präzisere Aussagen treffen zu bestimmten Berufsgruppen beispielsweise im Bereich Komposition, Oper oder auch Jazz. Auf Grundlage der Geo-Daten in den recherchierten Biographien erfolgen raumzeitliche Analysen der Musikerverfolgung: Spezielle Kartographien machen so etwa sichtbar, wie sich Musikerinnen und Musiker auf der Flucht und im Exil gegenseitig beeinflusst haben.
„NS-Verfolgung und Musikgeschichte. Revisionen aus biographischer und geographischer Perspektive“: So lautet der vollständige Titel des Langzeitforschungsprojekts, das im Rahmen des Akademienprogramms angesiedelt ist; Kooperationspartnerinnen sind die Universität Hamburg und die Hochschule für Musik und Theater München. Hier arbeitet Friedrich Geiger als Professor für Historische Musikwissenschaft. Die Forschung zu Musik in Diktaturen und im Exil gehört seit rund 30 Jahren zu seinen Arbeitsschwerpunkten.
Das Gespräch fand am 12. Mai 2025 statt.