Was nun, wenn China dem Westen immer ähnlicher wird?
China und die Moderne: Gern spricht man im Westen vom "Chinesischen Modell" – als hätte China die Modernisierung neu erfunden. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch auf, dass sowohl die "Erfolge" als auch die Ambivalenzen, die ein sich modernisierendes China aufweist, erstaunliche Parallelen zum "Westen" an den Tag legt: Wolkenkratzer und Autokolonnen lassen kaum mehr einen Unterschied zwischen einer chinesischen und einer "westlichen" Stadt erkennen. Die Diskussion über die Rolle der "Steuerzahler" anstatt des "Volkes", über die Abschaffung der Todesstrafe, über "collective bargaining" als Grundmuster der Findung eines sozialen Konsens rufen Erinnerungen an historische Wege des "Westens" hervor. Schließlich: Sowohl Marxismus als auch Turbokapitalismus, sowohl Liberalismus als auch faschistoide "Massenstimmungen" sind in den westlichen Gesellschaften entstanden und wurden durch sie geprägt. Wenn diese Strömungen auch im angeblich so exklusiv den eigenen Weg suchenden China deutlich werden, wenn sie allerdings eine neue Dimension allein kraft der Menge von 1,3 Milliarden Menschen erreichen, was bedeutet dies für China, was für die "westliche" Welt?
Shi Ming stammt aus Peking; dort studierte er Germanistik und Jura und war dann Journalist beim staatlichen Rundfunk. Heute lebt Shi in Köln, wo er als freier Journalist, Übersetzer und Schriftsteller arbeitet.
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