Fragen an Prof. Dr. Michael Fröba
Professor für Festkörperchemie
- Welche Wege der Wasserstoff-Produktion sind zukunftsfähig?
- Wie wird Wasserstoff kostengünstiger dank der Erkenntnisse der Festkörperchemie?
- Welche Chancen bietet Norddeutschland für die Wasserstoff-Forschung?
Wasserstoff und Norddeutschland - zum Einstieg
Möglichst grün - Erzeugung von Wasserstoff
"Problemlöser Wasserstoff?" Drei Fragen an Prof. Dr. Michael Fröba
Themen auf dieser Seite
- Die Erzeugung von Wasserstoff
- Die Farbenlehre des Wasserstoffs
- Woher kommt der Strom für den grünen Wasserstoff?
- Wie ließe sich die Produktion von grünem Wasserstoff kostengünstiger gestalten?
- Soll Deutschland den grünen Wasserstoff selber herstellen oder importieren?
- Welche Rolle könnten blauer und türkiser Wasserstoff spielen?
- Welche Zukunftstechniken könnten langfristig zur emissionsfreien Wasserstoff-Erzeugung beitragen?
Transport und Speicherung von Wasserstoff
Möglichst effizient – die Nutzung von Wasserstoff
"Problemlöser Wasserstoff?" Drei Fragen an Prof. Dr.-Ing. Detlef Schulz
Themen auf dieser Seite
- Die Nutzung von Wasserstoff
- Welche Industriezweige werden Wasserstoff nutzen?
- Kann Wasserstoff helfen, das Stromnetz zu stabilisieren und Dunkelflauten auszugleichen?
- Welche Rolle kann Wasserstoff im Straßenverkehr spielen?
- Wird es Wasserstoffflugzeuge geben?
- Werden Züge und Schiffe mit Wasserstoff unterwegs sein?
- Werden wir mit Wasserstoff heizen?
Die Erzeugung von Wasserstoff
Bereits heute wird Wasserstoff in beträchtlichen Mengen hergestellt: Pro Jahr sind es auf der Welt mehr als 100 Millionen Tonnen, gebraucht werden sie etwa für Düngemittelfabriken, Ölraffinerien und die chemische Industrie. Zum Großteil ist dieser Wasserstoff „grau“ – er wird aus Erdgas durch einen Prozess namens Dampfreformierung hergestellt. Dabei entstehen riesige Mengen an klimaschädlichen Treibhausgasen: Pro erzeugter Tonne Wasserstoff gelangen rund zehn Tonnen CO2 in die Atmosphäre.
Für eine klimaneutrale Wasserstoffwirtschaft, also eine Energiewirtschaft, die Wasserstoff anstelle von Erdgas, Benzin oder Kohle als Energieträger bereitstellt und somit sehr viel mehr Wasserstoff als derzeit produzieren soll, muss das Gas nach Möglichkeit emissionsfrei hergestellt werden. Die favorisierte und nach heutigem Stand nachhaltigste Methode ist die Produktion von „grünem“ Wasserstoff: Er wird aus Wasser sowie aus regenerativem Strom gewonnen, der zum Beispiel von Solaranlagen und Windrädern kommt. Sogenannte Elektrolyseure verwenden diesen Strom, um Wasser in seine Bestandteile aufzuspalten – Sauerstoff und Wasserstoff. Mittlerweile haben zahlreiche Pilotprojekte die Machbarkeit dieses Verfahrens bewiesen. Jetzt arbeiten die Hersteller daran, größere, leistungsstärkere Elektrolyseure zu günstigeren Preisen zu entwickeln – eine wichtige Voraussetzung für den Markterfolg.
Daneben gibt es zwei Verfahren, die die erdgasbasierte Herstellung klimafreundlicher machen sollen: Beim „blauen“ Wasserstoff wird das bei der Dampfreformierung entstehende CO2 abgeschieden. Damit es nicht in die Atmosphäre gelangt, wird es entweder in den Untergrund verpresst: zum Beispiel in erschöpfte Erdgasfelder (CCS = Carbon Capture and Storage). Oder es kann als Kohlenstoffquelle für die Industrie dienen (CCU = Carbon Capture and Utilization).
Als mögliche künftige Alternative gilt der „türkise“ Wasserstoff: Bei ihm wird Erdgas (Methan; CH4) bei großer Hitze in H2 und in festen Kohlenstoff gespalten. Dieser Kohlenstoff ließe sich dann für industrielle Zwecke nutzen oder so einlagern, dass er nicht in die Atmosphäre gelangen kann. Beide Verfahren sind in der Fachwelt umstritten: Manche halten sie für wenig effektiv und weisen auf mögliche Risiken hin. Andere dagegen sehen darin eine notwendige Brückentechnologie, solange der grüne Wasserstoff noch nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht.
Daneben arbeiten viele Labore auch in Norddeutschland an Verfahren, die in fernerer Zukunft zu einer nachhaltigen Wasserstoffproduktion beitragen könnten – etwa der solarthermischen Herstellung mit stark gebündelter Sonnenstrahlung, der Nutzung von wasserstoffproduzierenden Mikroben oder der Lichtspaltung per „künstlichem Blatt“.
Die Farbenlehre des Wasserstoffs
Grün, grau, blau, türkis: Abhängig von seiner Herstellungsart erhält der Wasserstoff – ein an sich farbloses Gas – unterschiedliche Namen:
Woher kommt der Strom für den grünen Wasserstoff?
Damit ein Elektrolyseur klimaneutralen Wasserstoff erzeugen kann, muss er mit regenerativem Strom betrieben werden. In Deutschland sorgen dafür derzeit vor allem Windräder und Solarzellen: 2020 deckte die Photovoltaik 10,4 Prozent, die Windenergie sogar 27 Prozent des Strombedarfs – wobei sich in Norddeutschland (mitsamt den Offshore- Anlagen in Nord- und Ostsee) annähernd die Hälfte der installierten Windenergieleistung befindet. Weitere regenerative Stromquellen sind Wasserkraft und Biomasse. Zusammengenommen decken all diese erneuerbaren Energien mittlerweile rund die Hälfte des bundesdeutschen Strombedarfs.
International könnten auch andere erneuerbare Quellen eine wichtige Rolle spielen: Länder wie Norwegen oder einige zentralafrikanische Staaten verfügen über beträchtliche Wasserkraft-Ressourcen. In Island und in Ostafrika ließe sich mithilfe der Geothermie (Erdwärme) CO2-freier Strom im großen Maßstab gewinnen. Und Ozean-Anrainer wie Schottland könnten künftig mit Wellenkraftwerken und Strömungsturbinen Energie gewinnen – auch wenn diese Technologien derzeit noch nicht marktreif sind.
Zwar liefert auch die Kernenergie CO2-freien Strom. Aber da Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, stellt sie zumindest für die heimische H2-Erzeugung keine Alternative dar. Auch global gesehen, zweifelt die Fachwelt immer mehr daran, dass die Kernenergie nennenswert zur Wasserstoffproduktion beitragen kann. Denn mittlerweile ist der Strom aus Windrädern und Solarzellen so günstig, dass sich der Bau neuer Meiler im Grunde nicht mehr rechnet.
Klar ist: Um grünen Wasserstoff in großen Mengen herstellen zu können, braucht es weltweit einen massiven Ausbau der regenerativen Energien. Denn der Bedarf ist beträchtlich: Allein für Deutschland wird er gemäß der Nationalen Wasserstoffstrategie für 2030 auf drei Millionen Tonnen geschätzt.1 Rein rechnerisch bräuchte es für die Erzeugung dieser Menge rund 10.000 Windräder. 2050 könnte der Jahresbedarf sogar bei über 20 Millionen Tonnen liegen, wobei die derzeitigen Schätzungen stark schwanken.
Prof. Dr. Michael Fröba
Um den künftigen Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken, müssen wir die erneuerbaren Energien ausbauen. Leider wird dieser Ausbau durch die derzeitigen Regularien und Zulassungsverfahren stark verzögert. Diese Verfahren müssten wir schlanker und effizienter gestalten, dann würde der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller vorankommen.
Wie ließe sich die Produktion von grünem Wasserstoff kostengünstiger gestalten?
Derzeit ist grüner Wasserstoff noch relativ teuer, seine Herstellungskosten liegen bei etwa sieben bis neun Euro pro Kilogramm. Die Höhe der Kosten hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Der Preis für den regenerativ erzeugten Strom macht etwa zwei Drittel der Erzeugungskosten aus, ein Drittel wird von den Kosten für die Elektrolyseure verursacht. Wind- und Sonnenstrom sind in den vergangenen Jahrzehnten stetig wirtschaftlicher geworden. Auch künftig dürften sie dank des technischen Fortschritts immer günstiger werden, etwa durch eine neue Generation von Solarzellen mit deutlich höherer Effizienz. Dagegen sollten sich die fossilen Energien aufgrund steigender CO2-Abgaben schrittweise immer weiter verteuern.
Auch bei den Elektrolyseuren gibt es viele Ansatzpunkte, um die Kosten zu senken. Bislang werden sie lediglich in Kleinserien hergestellt, die Fertigung ist mit viel Handarbeit verbunden. Doch der Bedarf an Elektrolyseuren wird steigen. Heute liegen typische Geräteleistungen bei weniger als einem Megawatt. Doch nun sind Anlagen mit Leistungen von 100 Megawatt und mehr geplant. So auch im Hamburger Hafen. Bis 2030 soll in Deutschland eine Gesamtkapazität von zehn Gigawatt installiert sein. Dafür ist eine industrielle Serienfertigung nötig, an der die Branche nun arbeitet. Beispielsweise im Rahmen von „H2Giga“, einem von der nationalen Wasserstoffstrategie geförderten Projekt. Das sollte die Herstellungskosten deutlich reduzieren.
Außerdem sind weitere technische Innovationen zu erwarten: So versuchen die Hersteller, den Anteil an teuren Edelmetallen wie Platin und Iridium in den Anlagen stetig zu verringern. Auch der Wirkungsgrad, der bislang bei etwa 70 Prozent liegt, sollte sich merklich steigern lassen, etwa durch den Einsatz neuartiger Katalysatoren. Grundsätzlich gibt es drei Typen von Elektrolyseuren – jeder mit bestimmten Stärken und Einsatzfeldern.
Drei Typen von Elektrolyseuren
Alkalischer Elektrolyseur
Arbeitet mit Kalilauge und einer gasdichten Membran, die verhindert, dass sich die erzeugten Sauerstoff- und Wasserstoffmoleküle vermischen und wieder zu Wasser reagieren. Diese Technik ist am längsten am Markt.
PEM-Elektrolyseur
Arbeitet mit einer Säure und einer protonendurchlässigen Polymermembran (PEM). Kann flexibel auf Lastwechsel reagieren und eignet sich daher besonders für den Betrieb an Windrädern und Solaranlagen, deren Stromerzeugung durch Witterungseinflüsse stark schwanken kann.
Hochtemperatur-Elektrolyseur (SOEC)
Hier läuft die Wasserspaltung bei 800 bis 900 Grad Celsius ab. Dadurch kann der Strombedarf sinken und die Effizienz steigen. Eignet sich eher im Zusammenspiel mit stetigen Stromquellen, etwa der Wasserkraft.
Diskussionen gibt es über die Art und Weise, wie die Elektrolyseure am besten zu betreiben sind. Manche halten es für günstig, sie vor allem mit dem „Überschussstrom“ von Windrädern und Solarzellen zu speisen – jener Energie, die heute bei sehr günstigen Witterungsbedingungen abgeregelt werden muss, da sonst eine Netzüberlastung droht. Diese Betriebsart jedoch dürfte kaum wirtschaftlich sein: Zwar ist der Strom zu diesen Überschusszeiten extrem billig, doch die Anlagen würden nur relativ wenige Stunden im Jahr laufen – zu kurz, um ihre Investitionskosten einzuspielen. Günstiger scheint es, sie möglichst viele Stunden im Jahr laufen zu lassen.
Interessant für eine Effizienzsteigerung dürfte auch sein, die beträchtliche Abwärme zu nutzen, die Elektrolyseure bei Betrieb erzeugen. So gibt es in Hamburg Überlegungen, die Abwärme eines für den Hamburger Hafen geplanten leistungsstarken Elektrolyseurs in das Fernwärmenetz der Hansestadt einzuspeisen – ein Beispiel für die sogenannte Sektorkopplung. Wirkungsgrad und Wirtschaftlichkeit der Elektrolyseure könnten dadurch deutlich steigen.
Alles in allem schätzen Fachleute beispielsweise des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie,2 dass sich die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland bis zum Jahr 2030 um ein Drittel senken und langfristig sogar halbieren lassen. Wird der Wasserstoff dann sogar in sonnen- oder windreichen Regionen erzeugt, wo regenerative Energien deutlich günstiger sind als in Deutschland, könnten die Kosten sogar auf unter zwei Euro pro Kilogramm sinken – kaum mehr als die heutigen Kosten für grauen, aus Erdgas gewonnenen Wasserstoff.
Soll Deutschland den grünen Wasserstoff selber herstellen oder importieren?
Der Bedarf an grünem Wasserstoff dürfte in den kommenden Jahrzehnten deutlich steigen. Mit Blick auf Deutschland rechnet die Bundesregierung für das Jahr 2030 mit einem Bedarf von drei Millionen Tonnen, 2050 könnte er in der Größenordnung von 20 Millionen Tonnen liegen. Selbst wenn die Bundesrepublik Windkraft und Solarenergie in Zukunft stark ausbaut – solche Mengen dürften sich allein durch eine heimische Erzeugung kaum herstellen lassen, zumal zukunftsträchtige Technologien wie Wärmepumpen und Elektroautos ebenfalls grünen Strom benötigen.
Deshalb gehen die meisten Fachleute davon aus, dass wir Wasserstoff in großem Maßstab importieren werden – ähnlich wie Deutschland auch heute den Löwenanteil seines Erdöl- und Erdgasbedarfs aus dem Ausland bezieht. Denn in manchen Regionen der Welt lässt sich Wasserstoff deutlich kostengünstiger herstellen als in Mitteleuropa: In sonnenreichen Gebieten wie Nordafrika und dem Nahen Osten könnten riesige Solarfarmen leistungsstarke Elektrolyseure mit preiswertem grünen Strom versorgen. Das dafür nötige Wasser müsste zum Großteil aus Meerwasser-Entsalzungsanlagen kommen, die sich aber ebenfalls mit grünem Strom betreiben ließen.
Wasserstoff-Import in großem Maßstab wahrscheinlich notwendig
Länder wie Chile oder Argentinien weisen ein enormes Windpotenzial auf, hier könnten riesige Windparks als regelrechte H2-Fabriken fungieren. Und Standorte wie Australien haben sowohl viel Sonne als auch jede Menge Wind. Im Prinzip könnte sich der grüne Wasserstoff in diesen Regionen zu den halben Kosten erzeugen lassen als in Deutschland mit seinen beschränkten Wind- und Solarressourcen. Wichtig erscheint allerdings, dass künftige Produktionsländer den Wasserstoff nicht nur für den Export bereitstellen, sondern ihn auch nutzen, um das eigene Energiesystem klimaneutral umzugestalten.
Um diesen grünen Wasserstoff bei uns zu nutzen, müsste man ihn aus der Ferne nach Deutschland transportieren. Für relativ kurze Distanzen wie nach Nordafrika kommen dafür Pipelines in Frage, bei längeren Entfernungen müsste der Transport per Schiff erfolgen.
Hierbei ließe sich der Wasserstoff entweder in gekühlter und verflüssigter Form an Bord nehmen oder aber als sogenanntes Derivat, also an einen anderen Stoff gebunden: Zur Diskussion stehen Methanol, Ammoniak oder spezielle Ölverbindungen, sogenannte LOHC. Bei diesen schiffsbasierten H2-Transporten dürften die norddeutschen Häfen als zentrale Verteiler-Hubs fungieren und so eine wichtige Rolle in der künftigen Wasserstoffwirtschaft spielen.
Prof. Dr.-Ing. Martin Kaltschmitt
Das Ziel muss sein, möglichst effizient und klimaneutral zu grüner Primärenergie zu kommen. Und in vielen südlichen Ländern sind die Rahmenbedingungen, dort Energie zu erzeugen, um Größenordnungen günstiger, wie sie es bei uns sind. Deswegen werden wir nicht drum herumkommen, grünen Wasserstoff zu importieren.
Allerdings sind alle diese Transportformen mit einem gewissen technischen Aufwand sowie mit energetischen Verlusten verknüpft. Das verursacht Kosten. Aktuelle Studien wie die der Desertec Industrial Initiative3 beziffern sie auf mindestens 1,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff. Addiert man die Produktionskosten dazu, könnte sich dennoch ein leichter Kostenvorteil gegenüber der heimischen Erzeugung ergeben. Zwar verweisen manche Fachleute bei einigen der möglichen Produktionsländer auf politische Unwägbarkeiten und betonen, dass eine heimische Erzeugung zu Wertschöpfungseffekten führen könnten. So könnten etwa neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen.
Für und Wider von heimischer Wasserstoff-Produktion
Auf der anderen Seite wäre für eine überwiegend heimische H2-Produktion ein nochmals stärkerer Ausbau von Wind- und Sonnenenergie nötig, was Teile der Bevölkerung nicht akzeptieren könnten. Außerdem würde der Import aus wirtschaftlich schwachen Ländern etwa in Nordafrika dort zu einem ökonomischen Aufschwung führen. Im Idealfall könnte ein solcher Aufschwung dazu beitragen, die eher instabilen politischen Bedingungen in manchen Staaten dauerhaft zu befrieden.
Aus heutiger Sicht scheint klar, dass wir künftig Wasserstoff importieren müssen, um den Bedarf zu decken. Offen ist bislang, wie hoch diese Importquote auf lange Sicht ausfallen könnte: Laut einer Metastudie der Fraunhofer-Gesellschaft4 schwanken die Schätzungen für das Jahr zwischen 53 und 80 Prozent.
Welche Rolle könnten blauer und türkiser Wasserstoff spielen?
Blauer und türkiser Wasserstoff entsteht nicht per Wasserspaltung mit Hilfe von regenerativen Energien, sondern aus Erdgas. Im Unterschied zur konventionellen Produktion von grauem Wasserstoff soll dabei jedoch kein CO2 in die Atmosphäre gelangen. Stattdessen soll das Kohlendioxid beim blauen Wasserstoff abgeschieden und in den Erdboden verpresst oder als Rohstoff für die Industrie genutzt werden. Bei der Herstellung von türkisem Wasserstoff wird das Erdgas in einem Reaktor bei hohen Temperaturen gespalten (Methanpyrolyse). Dabei entsteht neben Wasserstoff auch fester Kohlenstoff in Form von Ruß. Dieser soll entweder industriell verwertet oder luftdicht deponiert werden – etwa in alten Kohlebergwerken. Allerdings ist diese Methode weniger effizient als die Herstellung von blauem Wasserstoff und befindet sich zudem noch im Entwicklungsstadium. Schätzungen zufolge dürfte sie frühestens 2030 einsatzreif sein – vorausgesetzt, die Pilotversuche erfüllen bis dahin die Erwartungen.
Die Befürworter sehen in diesen Methoden mögliche Brückentechnologien. Denn bis auf der Welt nennenswerte Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff entstanden sind, dürfte es noch geraume Zeit dauern. Bis dahin könnten blauer und türkiser Wasserstoff einspringen, um die zwischenzeitlichen Bedarfe zu decken und für einen erfolgreichen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu sorgen. Zudem besteht die Hoffnung, dass blauer und türkiser Wasserstoff zumindest eine Zeitlang kostengünstiger herzustellen sind als grüner Wasserstoff.
Prof. Dr. Stephan Kabelac
Ich denke, dass die Nutzung von türkisem Wasserstoff sinnvoller ist als die von blauem Wasserstoff. Denn fester Kohlenstoff lässt sich besser deponieren und nutzen als das gasförmige CO2, das beim blauen Wasserstoff entsteht. Die Abtrennung von CO2 kostet Energie, und das Verpressen in den Boden ist nicht ganz einfach.
Doch es gibt auch Gegenargumente und Bedenken. Gänzlich emissionsfrei sind nach heutigem Stand weder blauer noch türkiser Wasserstoff: Bei der Förderung des Erdgases, aus dem sie gemacht werden, können beträchtliche Mengen an Methan freigesetzt werden, ein überaus wirksames Treibhausgas. Studien zufolge ist dieser Klimaeffekt beträchtlich: Demnach würde gegenüber dem grauen Wasserstoff nur knapp die Hälfte an Treibhausgas-Emissionen eingespart. Verbessern ließe sich diese Bilanz, indem man die Methanemissionen bei der Erdgasförderung deutlich reduziert.
Beim blauen Wasserstoff ist die anschließende CO2-Verpressung (CCS = Carbon Capture and Storage) etwa in erschöpfte Erdgasfelder umstritten: Nicht in jedem Fall scheint garantiert, dass das Gas dauerhaft im Erdboden verbleibt – es könnte letztlich doch in die Atmosphäre entweichen. Ähnlich ist die Situation beim türkisen Wasserstoff. Hier müsste gewährleistet sein, dass der feste Kohlenstoff dauerhaft luftdicht gelagert wird, etwa unter Wasser. Ansonsten droht er zu oxidieren und CO2 freizusetzen.
Deshalb plädieren manche Fachleute dafür, Kohlenstoff bzw. CO2 nicht zu deponieren, sondern als Rohstoff für die Industrie zu nutzen, etwa für Batterie-, Reifen oder Baubranche (CCU = Carbon Capture and Utilization). Hier ist allerdings fraglich, inwieweit die Wirtschaft langfristig die entstehenden Mengen an Kohlenstoff und CO2 abnimmt oder letztlich nur einen Bruchteil davon verwerten kann.
Welche Zukunftstechniken könnten langfristig zur emissionsfreien Wasserstoff-Erzeugung beitragen?
Als Ergänzung zu den etablierten Verfahren wie der Elektrolyse arbeiten zahlreiche Forschungsgruppen an neuen Herstellungsmethoden für eine grüne H2-Produktion. Zwar befinden sich diese Entwicklungen noch im Forschungsstadium, könnten aber die künftige Wasserstoffversorgung maßgeblich unterstützen.
Wasserstoff aus konzentrierter Sonnenhitze
Bereits heute gibt es in Ländern wie Spanien oder den USA sogenannte Solarturm-Kraftwerke. Dabei lenken Hunderte von Spiegeln das Sonnenlicht zur Spitze eines hohen Turms, wo sich dann Temperaturen von über 1000 Grad Celsius erreichen lassen. Bei den existierenden Kraftwerken dient die Hitze dazu, Wasser zu verdampfen und eine Stromturbine anzutreiben.
Fachleute etwa vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickeln die Technik derzeit weiter: Sie lenken das gebündelte Sonnenlicht in einen Reaktor bestehend aus porösen Metalloxiden, der von Wasser durchflossen wird. Durch die große Hitze werden die Wassermoleküle in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten.
Erste Pilotanlagen laufen bereits. Nun geht es darum, inwieweit sich die Technik in einen größeren Maßstab überführen lässt. Lohnen dürfte sich ihr Einsatz allenfalls in sehr sonnenreichen Regionen wie etwa Nordafrika.
Mikroben als Wasserstoff-Lieferanten
Manche Bakterien und Algen sind unter bestimmten Bedingungen in der Lage, H2 mit Hilfe von Sonnenlicht zu produzieren. Damit das effizient funktioniert, müssen diese Mikroben in der Regel „umgezüchtet“, also gentechnisch verändert werden. Im Labor gibt es vielversprechende Ansätze, allerdings bringt die Umsetzung in die Großtechnik einige Herausforderungen mit sich: So muss stets die optimale Reaktionstemperatur gewährleistet und eine Verunreinigung durch Gifte oder fremde Mikrolebewesen vermieden werden. Und: Da die Winzlinge nur geringe Mengen an Wasserstoff erzeugen können, bräuchte es für eine nennenswerte Produktionskapazität Anlagen von beträchtlicher Größe.
Weiter fortgeschritten sind die Bemühungen, Wasserstoff durch die Reformierung von Biogas herzustellen. Hier fungieren Gülle, Pflanzenreste und Energiepflanzen wie Mais als Rohstoff. Ähnlich wie bei anderen Bioenergie-Nutzungen – man denke an Bioethanol und Biodiesel – stellt sich hier allerdings die Frage nach den verfügbaren Anbauflächen und einer möglichen Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.
Wasserstoff vom künstlichen Blatt
Die Natur macht es vor – mittels der Photosynthese wandeln Pflanzen Sonnenlicht, Wasser und CO2 zu Sauerstoff und Zuckermolekülen um. Fachleute versuchen, dieses Prinzip auf die Wasserstoffproduktion zu übertragen. So ein Team vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht: Die Fachleute, darunter Akademie-Mitglied Prof. Dr. Thomas Klassen, lassen Sonnenlicht auf ein photoaktives Halbleitermaterial treffen, das dabei hilft, Wasser zu spalten. Damit werden Photovoltaik und Elektrolyse in einer Zelle kombiniert und der Wirkungsgrad erhöht. Das Prinzip funktioniert, allerdings müssen die Fachleute noch die Beständigkeit gegenüber Korrosion verbessern – die künstlichen Blätter „welken“ noch zu schnell.
Ein ähnliches Konzept verfolgt eine Arbeitsgruppe vom DESY in Hamburg: Sie kombiniert Plastik-Solarzellen mit einer Elektrolyse-Schicht aus wasserspaltenden Oxiden zu einem hauchdünnen Sandwich. Das Verfahren steckt zwar noch in der Grundlagenphase. Doch wenn die Pläne aufgehen, ließen sich die dünnen Module in die städtische Architektur integrieren, etwa auf Dächern und Fassaden.
Quellen
1. "Die Nationale Wasserstoffstrategie", herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Juni 2020, S. 5: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/die-nationale-wasserstoffstrategie.pdf?__blob=publicationFile, aufgerufen am 18.05.2022.
2. "Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung", Studie vom Wuppertal Institut, Update 2021: https://wupperinst.org/p/wi/p/s/pd/932, aufgerufen am 18.05.2022.
3. "The Risks and Opportunities of Green Hydrogen Production and Export From the MENA Region to Europe", November 2020: https://dii-desertenergy.org/wp-content/uploads/2020/12/Green-Hydrogen-from-MENA-to-Europe-Policy-Paper.pdf, aufgerufen am 18.05.2022, ab Juni 2024 nicht mehr aufrufbar.
4. "Wasserstoff und seine Derivate für eine nachhaltige Mobilität", vorgestellt von Prof. Christopher Hebling in der 80. Sitzung des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung, Berlin, 19. Mai 2021:
https://www.bundestag.de/resource/blob/843806/07557ce5eff2a34440b54883e09f8268/PowerPoint-Praesentation-von-Prof-Christopher-Hebling-Fraunhofer-Institut-fuer-Solare-Energiesysteme-ISE-data.pdf, aufgerufen am 18.05.2022.