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Krieg, Pandemie, Klimakrise – wie können wir besser vorbeugen?

Ob es um den Krieg in der Ukraine geht oder um die Corona-Pandemie oder den Klimawandel mit all seinen bereits spürbaren Auswirkungen: Es sind alles Krisen mit Ansage. Vor diesen auf vielen Ebenen existenziell bedrohlichen Situationen hat die Wissenschaft gewarnt und warnt sie weiter. Oft vergeblich. Warum dringen wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichend durch? Das war eine Ausgangsfrage von vielen für den Start der ersten Ausgabe von „Akademie aktuell“: einem neuen Veranstaltungsformat der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Die Premiere fand am 5. Juli 2022 in der Bucerius Law School in Hamburg statt.

„Schneller und härter“ das vorhandene Wissen, die schon vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Krisenlösung einzubringen, das war eine Empfehlung der Politologin Prof. Dr. Ursula Schröder, Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) an der Universität Hamburg. Am 5. Juli 2022 diskutierten in der Bucerius Law School in Hamburg mit Ursula Schröder
• Akademie-Präsident Prof. Dr. Mojib Latif, Professor für Klimadynamik am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,
• Investigativ-Journalist Georg Mascolo, Autor des Buchs "Ausbruch. Innenansichten einer Pandemie",
• der Soziologe Prof. Dr. Sighard Neckel von der Universität Hamburg,
• die Rechtswissenschaftlerin Larissa Bahmer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bucerius Law School.
Es moderierte die Journalistin Birgit Langhammer (NDR Info).

Die Premiere von „Akademie aktuell“ zum Nachhören

➤ Aufzeichnung „Akademie aktuell“-Podiumsdiskussion am 05.07.2022: „Krieg, Pandemie, Klimakrise – wie können wir besser vorbeugen?“

➤ Schlaglicht „Krisenprävention - welche Rolle kann Wissenschaft spielen?“

„Es gibt die verbreitete Annahme, dass wir neutrale Expertise haben. Und dass wir diese neutrale Expertise in irgendeiner Form linear in die Gesellschaft diffundieren lassen, dass es dort Rezipienten gibt, die sich das anhören und das dann weitergeben und dieses Wissen auf der anderen Seite unbeschadet ankommt. Dem ist nicht so. Wir wissen sehr genau, dass insbesondere beim Transfer von Wissen in die Politik Wissen fragmentarisch und selektiv aufgenommen wird.“

„Ich glaube, wo es das Defizit gibt, das ist in der Lösung der Probleme. Und die können wir nur interdisziplinär lösen. Und ich glaube, das haben wir zu lange übersehen. Wir dachten immer: ‚Wir erzeugen das Wissen. Wir sagen Euch, Gesellschaft, hier gibt es die Simulation. Die zweifelt wahrscheinlich keiner an. Es wird wärmer werden, wenn wir mehr Treibhausgase in der Luft haben undsoweiter. Die Wetterextreme nehmen zu. Die Meeresspiegel steigen.‘ All das ist ja auch belegt. Aber ich glaube, was wir versäumt haben, ist tatsächlich irgendwie die Gesellschaft mitzunehmen. Weil Menschen haben Ängste, haben Verlustängste. Und wir müssen Wege finden, die Bevölkerung mitzunehmen. Und ich glaube, da haben wir auch schlecht kommuniziert in dem Sinne, dass wir eigentlich immer nur negative Dinge kommuniziert haben. Wir haben eben nicht kommuniziert: ‚Wo gewinnen wir eigentlich?‘ Und ich glaube, das müssen wir mehr machen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und es ist auch für die Wissenschaft eine fächerübergreifende Aufgabe. Und ich glaube, daran müssen wir arbeiten.“

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe  macht „einmal im Jahr diese berühmten Berichte an den Deutschen Bundestag. Ich habe nie einen Bundestag-Abgeordneten getroffen, der die mal gelesen hat, obwohl das außerordentlich gute Papiere sind. Und eines davon ist ja dann zu Zeiten der Pandemie auch ziemlich zu Ruhm gelangt. Nämlich das Papier, in dem eine Pandemie simuliert worden ist. Und zwar eines simulierten SARS-Virus, ein sogenanntes Modi-SARS, modifiziertes SARS-Virus. Das hat man sich im Nachhinein angeguckt und hat gesagt: ‚Mensch, das ist ja wirklich erstaunlich präzise.‘Und es gab auch ein paar ziemlich präzise Vorschläge, was man eigentlich machen könnte. Nämlich sich zumindest mal ein paar Masken in den Keller legen. Was man auf jeden Fall tun müsste, wenn eine Pandemie beginnt. Aber es hat keiner gemacht. Es ist ehrlich gesagt so, als ob Sie vergessen haben, der Feuerwehr einen Schlauch zu kaufen. Weil Sie sagen: ‚Es hat ja lange nicht gebrannt!‘ Und das ist eine Form von Umgang mit Krise und Katastrophe, die wir uns auf keinen Fall leisten dürfen. Beschäftigen wir uns mit dem, womit wir uns beschäftigen können. Treffen dafür die bestmögliche Voraussage. Binden dafür die Wissenschaft auf die Art und Weise ein, dass wir ehrlich gesagt dankbar dafür sein können, dass wir so exzellente Wissenschaft im Land haben. Und dann beschäftigen wir uns mit den Problemen, die mit dieser guten Art von Vorbeugung nicht zu lösen sein werden. Es würde uns zu besseren und klügeren Entscheidungen bringen."

„Ich denke, dass man gerade da auch als junge Wissenschaftlerin, als junger Wissenschaftler sich nicht zu sehr verstecken sollte. Und dass man auch tatsächlich eine wissenschaftliche Fehlerkultur etablieren kann. Dass man vielleicht in Disziplinen, die das bisher nicht so kannten. Eben dass man mit Working Papers rausgeht, dass man sich eben einem Diskurs früh stellt und zwar am besten, bevor man dann das finale Manuskript hat und das Buch in Druck geht. Ich glaube, man kann die Forschungsarbeit an sich nicht massiv beschleunigen, aber wie sehr man in einen Diskurs kommt sowohl mit Kolleginnen und Kollegen des eigenen Fachs als auch mit Personen mit anderem wissenschaftlichen Hintergrund. Das könnte man durchaus beschleunigen. Und daraus könnte man auch lernen.“

„Das segensreiche Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt uns dafür auch politisch die Möglichkeiten, dass man als übergreifende, die Legislaturperioden übergreifende, aber auch die Sachgebiete der Politik übergreifende Steuerung von ökonomischen und gesellschaftlichen Entscheidungen anführt, die uns vor einer Klimakatastrophe bewahren können. Ich verweise in diesem Zusammenhang immer ganz gern auf das Beispiel, das in einem Buch die italienische Ökonomin Mariana Mazzucato vorgebracht hat, die gesagt hat: ‚Wir brauchen so etwas wie in den USA, in den 60er-Jahren, als sich die amerikanische Regierung entschloss, innerhalb von zehn Jahren einen Amerikaner auf den Mond zu bringen.‘ Die Mondmission der NASA in einer Kooperation von Unternehmen, staatlichen Stellen, wissenschaftlicher Forschung. Und wir brauchen gewissermaßen eine Mondmission für die Erde. Und das ist die politische Aufgabe, die sich natürlich am besten in Demokratien verwirklichen lässt.“

Im konstruktiven Gespräch zu drängenden Fragen: „Akademie aktuell“

Zweimal im Jahr widmet sich die Akademie der Wissenschaften in Hamburg mit der neuen Veranstaltungsreihe „Akademie aktuell“ einer Frage, die viele Menschen umtreibt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diskutieren in der Hansestadt jeweils mit versierten Köpfen aus Medien und Praxis.

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